Märchen und andere Dramen
Bis Oktober beherbergt das Schloss Spiez in der Wechselausstellung Werke des Schweizer Künstlers Ernst Kreidolf. Emotionale Einblicke in heile Natur und menschliche Abgründe verbinden das Leben zu einem Ganzen.

Das kindlich unvoreingenommene Eintauchen in die Natur war es, welches uns die einmaligen Darstellungen in Bildern und Märchen hinterliess. Der schmächtige Knabe Ernst Kreidolf (1893–1956) sei auf dem Bauernhof statt zum Erben zum verträumten Beobachter seiner Umwelt geworden. «Wo Tiere, Insekten und Pflanzen seine täglichen Ausflüge zu spannenden Entdeckungsgängen machen, fühlt er sich bald einsam und unverstanden», hält Projektleiterin Barbara Egli im Lebensbild des jungen Ernst Kreidolf fest.
Stundenlang habe er Vögel, Grashupfer und Schmetterlinge, ihre Lebensräume und Gewohnheiten beobachtet. Genau diese Beobachtungen fesseln in seinen Bildern, den in Buchform zu Berühmtheit gelangten Märchen. Oder wie es seine dargestellten Wesen wohl selber formulieren würden: «umwerfend in märchenhafter Natürlichkeit oder natürlicher Märchenhaftigkeit». So sei er als Erneuerer der Bilderbuchkunst bekannt geworden.
Auf Märchen reduziert
«Auf diese Sichtweise reduziert, fühlte sich Kreidolf lange Zeit unverstanden», ergänzt Kuratorin Sibylle Walther. Im Leiden der Natur, in niedergeschlagenen Stimmungen und in verdichteten Kriegsdarstellungen, die unter die Haut gehen, zeigt die Ausstellung seine andere Seite.
Tägliches Studium und nächtliches Brotverdienen hätten Kreidolf krank gemacht, erzählt Walther. In den Bayerischen Voralpen habe er romantisch anmutende Alpenbilder geschaffen: «Überwältigend dargestellt ist die Natur, klein und unbedeutend der Mensch.» Mit den «Blumen-Märchen» habe Kreidolf den Weg aus der Krise gefunden und sei als Erneuerer dieser Gattung im deutschsprachigen Raum gefeiert worden.
Bündner und Berner Oberland
Während einer Kur in St. Moritz entstanden die ersten Skizzen zum «Wintermärchen», in dessen Zentrum der friedliche Umgang der Zwergenvölker steht. Später geniessen Anemonen auf der Schynigen Platte den weiten Blick über den Brienzersee – das Bild, das zu dieser Ausstellung einlädt. Vielleicht führten schwere Erlebnisse der Kindheit zu traurigen Szenen im «Alpenblumenmärchen»?
Erstmals öffentlich gezeigt
Die Ausstellung, eine Koproduktion von Schloss Spiez, der Burgerbibliothek Bern und dem Verein Ernst Kreidolf, umfasst über 80 Öl- und Aquarellbilder, Zeichnungen und Skizzen, vornehmlich aus dem Nachlass des Künstlers.
Neben Originalaquarellen der Bücher «Alpenblumenmärchen» und «Wintermärchen» sind Bilder aus Kreidolfs früher Berner Zeit erstmals öffentlich zu sehen. Dazu kommen Originalfotos und -briefe aus der Burgerbibliothek Bern.
«Zur Vielschichtigkeit des Künstlers und dessen Alpenrezeption mag Albrecht von Hallers ebenfalls ausgestelltes bahnbrechendes Gedicht ‹Die Alpen› den Startschuss gegeben haben», mutmasst Schlossleiterin Barbara Egli.
Dieses ist eindrücklich dargestellt im Kabinett am Ende der Ausstellung. Dort läuft auch ein Film zum Künstlerleben. Ergänzt wird die Ausstellung durch ausleihbare PC-Tablets mit ausführlichen Hinweisen zu einzelnen Werken und das Buch «Passepartout» zu Kreidolfs Bergzauber und Wurzelspuk.
Die Ausstellung «Der Natur auf der Spur – Bergzauber und Wurzelspuk» im Schloss Spiez dauert bis zum 8. Oktober. Das Schloss ist geöffnet: Montag 14 bis 17 Uhr, Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Juli/August bis 18 Uhr.
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