Dezmond Dez mit neuem Album«Mit 50 hat man in der Rapszene einen eher schweren Stand»
Der Rapper hat mit «Film Noir» sein lang erwartetes zweites Mundart-Rap-Album veröffentlicht, das er am Freitag tauft. Ein Gespräch über das Alter, Rassismus und sein Männerbild.

Dezmond Dez, Ihr neues Album «Film Noir» wirkt kompakter und auch leichter als frühere Alben. Form und Inhalt stimmen, die Musik sitzt wie ein gut geschnittener Anzug. Wo sehen Sie sich in Ihrem künstlerischen Schaffen?
Das Ziel ist ja immer, mit jedem neuen Album auf der Höhe seines Schaffens zu sein. Ich denke aber wirklich, dass «Film Noir» mein bisher bestes Album ist, inhaltlich, aber auch musikalisch. Das liegt vor allem daran, dass ich das erste Mal mit einem festen Produzenten arbeiten konnte. Rascal, der mittlerweile Grammys- und Platin-Auszeichnungen erhalten hat, hat mir über Jahre jeden Monat Beats geschickt – Tausende, bis ich die 13 Beats zusammen hatte, aus denen «Film Noir» jetzt besteht. Texte sind mir wichtig, aber die Musik ist mir sowohl als Fan als auch als Künstler viel wichtiger. Auf «Film Noir» stimmt für mich beides.
Ihre Mutter stammt aus Haiti. Sie sind in Bern aufgewachsen und haben immer wieder Rassismus erlebt. So konkret wie in Ihrem neuen Lied «Roti Königin» haben Sie Diskriminierungserfahrungen jedoch noch nie thematisiert. Wie sind Sie an dieses Thema herangegangen?
Rassismus hatte für mein Schreiben schon immer eine Rolle gespielt. Erst jetzt habe ich mich aber reif genug gefühlt, einen ganzen Song über dieses Thema zu schreiben. Der Song ist mir wichtig, aber es machte keinen Spass, ihn zu schreiben.
Was war schwierig?
Es ist sehr anspruchsvoll, eine gute Balance zwischen persönlichen Erfahrungen und strukturellen Problemen zu finden. Es ist sehr schwer, den richtigen Ton zu treffen. So ein Text darf weder zu verharmlosend noch zu anklagend oder gar anbiedernd sein und soll auch niemanden ausschliessen.
«Roti Königin» wurde begeistert aufgenommen. Ist es Ihr bisher bestes Lied?
Nein. Aber vielleicht das wichtigste. Ich habe versucht, mit dem Refrain eine Erfahrung zu schildern, die sich nicht nur auf Rassismus bezieht, sondern auf Diskriminierungserfahrungen per se. Das Gefühl, mehr tun zu müssen als andere, um sich zu behaupten, können viele marginalisierte Gruppen nachvollziehen: Frauen, Homosexuelle, Transgender, Menschen mit Behinderungen. Das Echo war gross. Viele fühlten sich davon verstanden, und das freut mich natürlich sehr.
Der Song «Covfefe» wiederum handelt von machttrunkenen, chauvinistischen Männern. Wie hat sich Ihr Männlichkeitsbild in Ihrer langen Karriere verändert?
Sehr stark. Ich hatte zwar immer schon eine gewisse Sensibilität dafür, aber klar, auch in meinen frühen Texten gab es immer wieder gewisse Ausdrücke, die ich heute so nicht mehr verwenden würde. Als Teenager dachten wir halt, dass eine gewisse Misogynität einfach zum Rap dazugehört. Wir haben das recht unreflektiert wiedergegeben. Ich habe mich aber schon vor den grossen Sexismusdebatten mit dem Thema Männlichkeit und Misogynität auseinandergesetzt und schnell gemerkt, wie unnötig und ja, wie lächerlich solche Texte sind.
Der Song «♀» ist eine zarte, kluge Ode an die Frau. Geschlechterfragen scheinen Sie zu interessieren.
Ich bin ganz grundsätzlich der Meinung, dass Frauen ein besseres Sensorium für unser Zusammenleben haben. Sie sind mehr im Einklang mit sich selbst, sie müssen sich nicht ständig beweisen. Der Song ist ein Plädoyer dafür, dass wir in unserer Gesellschaft ein bisschen mehr auf die Frauen hören, mehr Einfluss von Frauen in allen Gesellschaftsbereichen zulassen sollten. Ich bin ja auch so aufgewachsen und meinte, keine Schwäche und auch keine Gefühle zeigen zu dürfen. Ich brauchte mehr als ein halbes Leben dafür, um zu begreifen, dass das nicht gut ist. Wir Männer haben noch so einiges zu lernen.
Sie sind 42 Jahre alt. «Film Noir» ist ein anspruchsvolles, nennen wir es ein erwachsenes, Album. Salopp gefragt: Ist man auch einmal zu alt für Rap?
Ich glaube schon, ja. In den USA vielleicht noch weniger. Aber hier in der Schweiz hat man in der Rapszene mit 50 schon einen eher schweren Stand. (Lacht). Rap ist ja immer vor allem eine Jugendkultur. Ab einem gewissen Alter müsste man vielleicht ausscheren, vielleicht etwas mehr in Richtung Livemusik und Lyrik tun. So wie das Baze zum Beispiel macht. Ihm gelingt das vorzüglich. Es ist ja nur schrecklich, wenn jemand krampfhaft versucht, jünger zu sein, als er oder sie ist. Ich selbst versuche, Rap zu machen, der meinem Alter entspricht.
Wie gelingt Ihnen das?
Man rappt ja immer über sein Leben und die Dinge, die einen beschäftigen. Ich versuche, eine gewisse Reife über die Inhalte zu transportieren. Wenn man es gut macht, findet man auch sein Publikum. Aber ich verstehe es natürlich, wenn sich ein 16-Jähriger jetzt nicht besonders angesprochen fühlt von dem, was ich mache. Das ist voll okay. Ich sage es mal so: Ich mache Musik, solange ich und unsere Hörerinnen und Hörer Freude daran haben, und hoffe, den Ausstieg zu finden, bevor es irgendwann niemanden mehr interessiert (lacht).
Die für den 24. März geplante Plattentaufe mit Tommy Vercetti im Bierhübeli wurde aus gesundheitlichen Gründen verschoben. Neu findet sie am 10. Juni statt; bereits gekaufte Tickets behalten ihre Gültigkeit.
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