
In den Berner Rückkehrzentren werden Grundrechte verletzt. Die Kinder der abgewiesenen Asylsuchenden leiden unter den engen Platzverhältnissen, es gibt zu wenig Spielzimmer und kaum Rückzugsräume, etwa um Hausaufgaben zu machen. Kritisch ist die Situation auch für alleinstehende Frauen: Aus Angst vor Belästigung wagen sich viele von ihnen nachts nicht auf die Toilette.
Die Situation in den Zentren ist insgesamt «menschenunwürdig». Das sagt nicht irgendeine NGO, sondern die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter in ihrem jüngsten Bericht. Die vom Bundesrat bestimmten Mitglieder der Kommission sind allesamt angesehene Fachleute, darunter Gefängnisdirektoren, Richter und Polizeibeamte.
In seiner Stellungnahme bleibt der zuständige Regierungsrat Philippe Müller (FDP) seiner bisherigen Linie treu: Es sei nun mal der «klare Wille des Gesetzgebers, dass weggewiesene Personen unser Land verlassen müssen». Nicht er ist demnach für den harten Umgang gegenüber den Abgewiesenen verantwortlich, sondern Parlament und Stimmvolk.
Ganz unrecht hat Müller damit nicht. Das Schweizer Asylrecht wird seit den 1990er-Jahren sukzessive verschärft. Dem aktuellen Regime der beschleunigten Verfahren haben 2013 fast 80 Prozent des Stimmvolks zugestimmt. Im Kanton Bern hat das Kantonsparlament den Verschärfungen ebenfalls deutlich zugestimmt. Seither werden abgewiesene Asylsuchende in gesonderten Zentren untergebracht, die vor allem abschrecken sollen. Eine Lockerung des harten Kurses könne nur das Parlament oder das Volk vornehmen, so Müller.
Doch damit macht er es sich zu einfach. Eine Mehrheit im Volk mag für eine harte Asylpolitik sein. Das heisst aber noch lange nicht, dass in den Zentren gegen die UNO-Kinderrechtskonvention verstossen werden darf. Dafür gibt es sicher keine Mehrheiten.
Dass es einen Spielraum für Verbesserungen gibt, hat Müller gleich selber gezeigt: So hat er kurz vor der Veröffentlichung des Berichts angekündigt, Frauen und Kinder künftig in einem separaten Zentrum unterzubringen.
Andres Marti ist Redaktor im Ressort Bern. Er studierte in Bern und Berlin Geschichte und Germanistik.
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Kommentar zu den Rückkehrzentren – Müller kann sich nicht nur hinter dem Volkswillen verstecken
Eine Mehrheit mag für strenge Asylgesetze sein. Doch wenn Grundrechte von Kindern verletzt werden, muss Sicherheitsdirektor Philippe Müller handeln.