Polizeimitarbeiter vor GerichtMunitionsdieb findet, die Polizeichefs seien mitschuldig
Der Logistikchef der Schwyzer Polizei zweigte viel Schiessmaterial ab. Er sieht aber bei der Korpsleitung ein «grobfahrlässiges Mitverschulden».

Ein Waffensammler und Hobbyhändler sei sein Mandant, aber vor allem «ein friedliebender, geselliger, freundlicher Bürger». Und damit harmlos.
Der Verteidiger des langjährigen Logistikchefs der Schwyzer Kantonspolizei bemühte auch ein Argument, das die Waffenlobby nach Amokläufen vorbringt: «Es sind nicht Waffen, die töten, sondern Menschen.» Waffen faszinierten «als technische Wunderwerke», aber sie seien «auch gefährlich, besonders in falschen Händen».
«Gelegenheit macht Diebe»
In seinem Plädoyer räumte der Anwalt ein, dass der inzwischen entlassene Logistikleiter am Arbeitsplatz Munition für sich bestellte und von der Polizei bezahlen liess. Es sind aber gemäss der Verteidigung nie und nimmer die über 300’000 Schuss, darunter gefährliche Mannstopp-Munition, gewesen, welche in Schwyzer Polizeidepots unauffindbar sind.
Der Beschuldigte habe nach dem Motto «Gelegenheit macht Diebe» gehandelt. Im Beschaffungswesen der Schwyzer Kapo hatte die Finanzkontrolle – nach dem Auffliegen des Cheflogistikers durch deutsche Ermittlungen – gravierende organisatorische Mängel festgestellt.
Gemäss der Verteidigung wird der Beschuldigte von der Kapo als Sündenbock hingestellt – vielleicht, «um Leichen im Keller» zu vertuschen.
Es brauchte nach Ansicht der Verteidigung kaum kriminelle Energie für die illegalen Bestellungen. Bei der Polizeiführung bestehe «ein zumindest grobfahrlässiges Mitverschulden». Mitarbeiter der Kapo müssten, so findet der Verteidiger, nun als Mitangeklagte vor dem Bundesstrafgericht stehen.
Stattdessen werde der Beschuldigte von der Kapo als Sündenbock hingestellt – vielleicht, «um Leichen im Keller» zu vertuschen. Er müsse als «Winkelried» für alle Probleme der Kapo herhalten. Der Angeklagte, «ein herzensguter Mensch, der oft unbürokratisch handelte», sei ausgenutzt worden, damit Teile des Korps Schussmaterial unkompliziert und unkontrolliert beschaffen konnten.
Der Rechtsvertreter der Schwyzer Polizei erwiderte, dass die Finanzkontrolle festgestellt habe, wie der Logistikchef mit krimineller Energie vorgegangen sei. Behauptungen wie jene mit den Leichen im Keller seien Schutzbehauptungen und «Nebelgranaten». Auch der leitende Staatsanwalt des Bundes, Carlo Bulletti, betonte, die beste Compliance könne mit betrügerischer Absicht umgangen werden. Dafür sei der Beschuldigte allein verantwortlich.
«Lügengeschichten» junger Deutscher?
Die Verteidigung zeigt sich auch überzeugt, dass zwei deutlich jüngere deutsche Darknet-Waffenhändler den 59-jährigen Schwyzer zum Selbstschutz mit falschen Vorwürfen eingedeckt hätten: «John», ein Bekannter des Logistikchefs, sei gemäss einem Gerichtspsychiater anfällig für Verschwörungstheorien und psychisch instabil. Den Darknet-Account, über den ein reger illegaler Waffenhandel stattfand, habe der Süddeutsche «John» allein – und damit ohne den Logistikchef – betrieben. Jede andere Behauptung sei eine Lügengeschichte. «Rico», der zweite deutsche Darknet-Waffenhändler und Lieferant jenes Amokläufers, der 2016 in München neun Opfer erschoss, lüge ebenso.
Die beiden jungen Deutschen, beide in Deutschland verurteilt, haben den heute arbeitslosen Familienvater aus Einsiedeln schwer belastet. Unter anderem gestützt auf ihre Aussagen, verlangt die Bundesanwaltschaft nun eine Freiheitsstrafe von vier Jahren für den Beschuldigten. (Lesen Sie hier die Reportage vom ersten Prozesstag.)
Die Verteidigung hält für die eingestandenen nicht sehr schweren Verstösse gegen das Waffengesetz, die Veruntreuung und die ungetreue Amtsführung eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 Franken für genügend.
Das Bundesstrafgericht wird sein Urteil am 22. April verkünden.
Thomas Knellwolf ist Bundeshaus-Korrespondent, mit Schwerpunkt Justiz und Nachrichtendienst. Bei Tamedia hat er den Recherchedesk mitaufgebaut und geleitet. Er ist Autor mehrerer Sachbücher. Kontakt über Threema 3KVB3FET oder E-Mail thomas.knellwolf@tamedia.ch
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