Johnson schmettert Kritik ab Noch eine Party in Downing Street – na und?
Die Vorwürfe an ihn seien komplett falsch, sagt Boris Johnson kategorisch, ganz egal, wie viele Enthüllungen noch kommen mögen. Gut möglich, dass er mit dieser Strategie am Schluss Erfolg hat.

Die wöchentliche Fragerunde im britischen Unterhaus begann diese Woche mit zwei Überraschungen. Die erste Überraschung betraf den Umgang mit der Corona-Pandemie: Der Premierminister eröffnete seinen Auftritt mit der Ankündigung, die Pflicht, sich nach einem positiven Test selbst zu isolieren, werde wohl einen Monat früher enden als geplant – und damit schon in gut zwei Wochen. Auf den Bänken hinter Johnson johlten die Tories.
Die zweite Überraschung betraf, wenn man so will, auch die Corona-Pandemie. Dazu eine Flasche Champagner, einen Sack Chips und eine Hawaii-Halsgirlande. Der «Daily Mirror», jenes Boulevardblatt, das den Partygate-Skandal mit seinen Enthüllungen angestossen hat, beschreibt in einer neuen Exklusivstory ein Weihnachtsquiz in Downing Street. Es soll am 15. Dezember 2020 stattgefunden haben, mit Johnson als Teilnehmer. Dazu wurde ein Foto gezeigt, auf dem drei Menschen zu sehen sind, einer davon ist Johnson, ein anderer trägt eine lustige Partyhalsgirlande, auf dem Tisch liegt eine zerknüllte Chipstüte, daneben steht eine geöffnete Champagnerflasche. Diese Party ist bislang noch nicht Gegenstand der polizeilichen Ermittlungen. Das könnte sich ändern. .
«I will survive», singt Johnson
Johnson sagte dazu im Parlament nur: Der Abgeordnete, der ihn darauf ansprach, sei «completely in error». Er liege komplett falsch. Das ist Boris Johnsons Verteidigungslinie, ganz egal, wie viele solche Enthüllungen auch kommen mögen. Gut möglich, dass er damit Erfolg hat, schliesslich läuft Partygate nun schon so lange, dass offenbar selbst mancher in der Opposition daran zu zweifeln beginnt, ob Johnsons Zukunft als Premierminister wirklich noch in Gefahr ist – obwohl polizeiliche Ermittlungen laufen und der praktisch täglich mit der Frage konfrontiert wird, wie viele Misstrauensbriefe schon gegen ihn eingegangen sind: 38 vielleicht oder weniger oder doch schon die nötigen 54?
Johnson besetzte, nachdem vergangene Woche fünf seiner Mitarbeiter zurückgetreten waren, die Posten neu. Seinen neuen Pressechef begrüsste er gut gelaunt mit einem Lied: «I will survive». Guto Harri, der neue Pressechef, erzählte das selbst in einem Interview. Ausserdem versicherte Harri, Johnson sei «kein kompletter Clown», nein, sondern ein sehr «liebenswerter Charakter».
Danach soll er dafür intern gerügt worden sein, auch von Johnson. Die beiden Männer kennen sich schon lange, Guto Harri war Johnsons Pressesprecher zu seiner Zeit als Bürgermeister von London. Danach arbeitete er unter anderem als Lobbyist für den chinesischen Telekommunikationskonzern Huawei, den die britische Regierung wegen Sicherheitsbedenken aus dem heimischen Netz ausschliessen liess. Johnsons Kritiker halten Harri vor allem deshalb für keine ideale Besetzung, aber auch andere Personalentscheidungen stiessen nicht gerade auf Begeisterung.

So wurde etwa der bisherige Unterhaus-Chef der Konservativen, Jacob Rees-Mogg, zum Staatssekretär für Brexit-Angelegenheiten ernannt, ein Job, den es bisher gar nicht gab. Rees-Moggs berufliche Veränderung ist automatisch mit einer Erhöhung des Jahreslohns von mehr als 44’000 Franken verbunden, ihm folgt wiederum der Abgeordnete Mark Spencer als Unterhaus-Chef nach. Gegen Spencer läuft derzeit eine interne Untersuchung, weil er der konservativen Kollegin Nusrat Ghani gesagt haben soll, sie würde ihren Posten in der Regierung auch wegen ihres muslimischen Glaubens verlieren.
Und dann ist da noch der Vorfall mit Keir Starmer: Anfang Woche wurde der Oppositionsführer vor dem Parlament von einem aufgehetzten Mob auf der Strasse derart angefeindet und bedrängt, dass er von einer Polizeieskorte in Sicherheit gebracht werden musste. Manche der Demonstranten, die eigentlich gegen die Corona-Impfung protestierten, beschimpften Starmer als «Pädophilen-Beschützer».
Am 21. Februar kehrt das Parlament wieder zurück, mit Johnson, natürlich.
Das ist eine Referenz auf die in rechten Kreisen verbreitete, aber falsche Ansicht, Starmer habe in seiner Zeit als Generalstaatsanwalt eine Anklage des Vergewaltigers Jimmy Savile verhindert. Johnson selber hatte dies vergangene Woche Starmer vorgeworfen, danach forderten auch mehrere Tories empört, der Premierminister müsse sich dafür entschuldigen. Johnson bemühte seitdem ein paar halbherzige «Klarstellungen», explizit entschuldigt hat er sich aber nicht.
Nun fliegt Boris Johnson zuerst nach Polen und dann nach Brüssel, das Unterhaus geht in eine Pause. Am 21. Februar kehrt das Parlament wieder zurück, mit Johnson, natürlich. Erst kürzlich zitierte die «Times» einen Berater des Premiers, er habe klargemacht, dass er Downing Street niemals freiwillig verlassen werde. Dafür, sagte Johnson demnach, müsse man «schon eine Panzerdivision senden».
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