«Noch ist das Verfahren nicht abgeschlossen»
Das Steuerabkommen mit Deutschland ist gescheitert. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sieht aber immer noch einen Hoffnungsschimmer. Und die Parteien reagieren gelassen.
Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) hat umgehend auf das Nein zum Steuerabkommen reagiert. Es nehme den Entscheid des deutschen Bundesrates zur Kenntnis, teilte es mit. «Die Schweiz ist nach wie vor bereit, mit Deutschland den Ratifizierungsprozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen», lässt sich Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf in der Mitteilung zitieren. Seitens der Schweiz stehe der Ratifizierung nichts im Wege. «Noch ist das Verfahren in Deutschland nicht abgeschlossen», heisst es weiter. Abzuwarten bleibe das Resultat eines allenfalls einberufenen Vermittlungsausschusses aus Bundestag und Bundesrat.
Das Steuerabkommen würde es erlauben, das langwierige Problem mit unversteuerten deutschen Geldern in der Schweiz zu lösen und damit die bilateralen Beziehungen zu verbessern. «Das Abkommen gewährleistet die Durchsetzung der berechtigten Steueransprüche Deutschlands und schützt gleichzeitig die Privatsphäre der Bankkunden.»
Das EFD weist auch darauf hin, dass die Schweiz die Abkommen mit Grossbritannien und Österreich auf jeden Fall am 1. Januar 2013 in Kraft setzen werde. Zudem führe die Schweiz derzeit Verhandlungen mit Italien und Griechenland über solche Abkommen. Weitere Länder inner- und ausserhalb Europas seien ebenfalls interessiert an diesem Modell.
SVP: Gegen rückwirkende Zulassung von Gruppenanfragen
Die Parteien reagieren wenig überrascht, aber dennoch enttäuscht auf das Nein des deutschen Bundesrates zum Steuerabkommen. Weitere Zugeständnisse im Hinblick auf den Vermittlungsausschuss lehnen die meisten ab. Wichtig sei nun, dass die Schweiz im Hinblick auf allfällige Verhandlungen im innerdeutschen Vermittlungsausschuss keine weiteren Zugeständnisse mache. «Die SVP wendet sich kategorisch gegen eine rückwirkende Zulassung von Gruppenanfragen», sagte SVP-Präsident Toni Brunner. Dies wäre rechtsstaatlich unhaltbar und würde die Rechtssicherheit weiter untergraben.
BDP: Keine Hektik aufkommen lassen
Auch für BDP-Präsident Martin Landolt kommen weitere Zugeständnisse nicht infrage: Das vorliegende Abkommen sei gut und müsse nicht mehr angepasst werden. Die Schweiz solle jetzt «ja keine Hektik aufkommen lassen», sagte er.
CVP: Linke Kräfte aus der Schweiz haben beigetragen
Das Nein im deutschen Bundesrat ist auch für CVP-Präsident Christophe Darbellay «wenig verwunderlich». Die Wahlkampagne der Sozialdemokraten in Deutschland, die von linken Kräften aus der Schweiz unterstützt worden seien, habe zum Scheitern geführt, sagte Darbellay. Er lehne neue Verhandlungen ab.
Grüne: Keine Einigung – gleiche Probleme
Die Grünen Schweiz erwarten nach dem Nein weitere Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. «Ohne Abkommen gibt es auf absehbare Zeit keine Besteuerung der hinterzogenen deutschen Gelder auf Schweizer Banken», teilte die Partei in einem Communiqué mit. Ein Steuerabkommen sei notwendig. Falls keine Einigung stattfände, würden die bilateralen Probleme zwischen Deutschland und der Schweiz weiter bestehen. Grosse Mengen deutscher Vermögen blieben damit weiterhin unversteuert.
SP: Schweiz muss Gunst der Stunde nutzen
Vermittlungsausschuss hin oder her – die SP sieht die Schweiz «mit ihrem Sonderweg in der Finanzplatzpolitik» sowieso in einer Sackgasse: Spätestens nach den Fatca-Verhandlungen mit den USA werde die Schweiz die Blockade des automatischen Informationsaustausches gegenüber der EU nicht mehr halten können, zeigt sich die SP in einem Communiqué überzeugt. Die Schweiz könne nun die Gunst der Stunde nutzen und diesen proaktiv auch mit Europa suchen, wird Finanzpolitikerin Susanne Leutenegger Oberholzer darin zitiert.
Juso: Rosen für die SPD
Provokativer zeigen sich die jüngeren Genossen: Die Juso hat der SPD für jedes ablehnende Bundesland via Lieferdienst eine Rose geschickt, wie die Partei in einer Mitteilung schreibt. «Der Plan B kann nicht der Status Quo, sondern nur der automatische Informationsaustausch sein», sagt Präsident David Roth.
Economiesuisse: Deutschland trägt Verantwortung
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse bedauert das Scheitern des Abkommens. Er hofft, dass der Vermittlungsausschuss noch eine Lösung ermögliche. Das Abgeltungssteuerabkommen würde für alle Seiten Vorteile bringen und die Streitigkeiten der Vergangenheit beenden, schreibt Economiesuisse in einer Stellungnahme. «Bleibt es definitiv beim Nein, trägt Deutschland die Verantwortung für das Scheitern des Abkommens.»
Bankiervereinigung: Nebenopfer der deutschen Innenpolitik
Auch die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) bedauert das Nein der deutschen Länderkammer. In seiner Stellungnahme schreibt der Verband, die Ablehnung sei «nicht aus sachlichen, sondern aus rein innenpolitischen Gründen erfolgt». «Wir sind das Nebenopfer einer innenpolitischen Debatte im Wahlkampf in Deutschland», sagte Geschäftsführer Michel Dérobert heute auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Der Dachverband der Schweizer Banken wirft dem deutschen Bundesrat vor, eine grosse Chance verpasst zu haben, «eine für alle Seiten faire, optimale und nachhaltige Lösung zu verabschieden», welche die bilateralen Probleme abschliessend geregelt hätte. Der Schweizer Finanzplatz werde unabhängig davon seine Neupositionierung vorantreiben: In Zukunft werde er nur noch steuerkonforme Vermögen annehmen und verwalten. Dabei bleibe die Abgeltungssteuer «Kernelement dieser Strategie und beste Lösung».
UBS und ZKB: Hoffen auf den Vermittlungsausschuss
Die UBS und die Zürcher Kantonalbank (ZKB) hoffen jetzt auf den Vermittlungsausschuss. Solange noch die Möglichkeit der Einberufung eines Vermittlungsausschusses bestehe, wäre eine abschliessende Beurteilung verfrüht, schreibt die UBS in einer Stellungnahme. Das Abkommen sei noch nicht definitiv vom Tisch, teilte die ZKB ihrerseits mit.
Das bilaterale Steuerabkommen sei eine gute Lösung, um Deutschland dabei zu unterstützen, sein Recht auf Besteuerung seiner Bürger durchzusetzen, schrieb die UBS: «Gleichzeitig sorgt das Abkommen für Rechtssicherheit für unsere Kunden, Kundenberater, und die Bank.»
CS: Kein Kommentar
Die Credit Suisse wollte keinen Kommentar abgeben. CS- Präsident Urs Rohner hatte letzte Woche gesagt, dass die CS Steuersünder vor die Türe setzen werde. «Wir sagen klar, dass wir kein Geschäft mit unversteuerten Vermögen betreiben wollen», sagte Rohner: Wenn der Kunde nicht reagiere, werde die CS die entsprechenden Konsequenzen ziehen.
Das Abgeltungssteuerabkommen sei für alle Beteiligten wichtig, weil es ein pendentes Problem löse. «Es kann doch nicht sein, dass in Zukunft die Regierung eines befreundeten Landes deliktisch erworbene CDs kauft oder gar zum Diebstahl anstiftet, um an Daten heranzukommen», sagte Rohner.
Auns: Nein ist keine Katastrophe
Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) nimmt das Nein aus Berlin gelassen zur Kenntnis. «Für die Schweiz ist das keine Katastrophe», teilte sie mit. Das abgelehnte Steuerabkommen sei unter ausländischem Druck und in einem Klima der Erpressung ausgehandelt worden. Das Abkommen würde die Souveränität und den Wirtschaftsstandort der Schweiz bedrängen. «Die AUNS erwartet vom Bundesrat, dass er Berlin keine weiteren Zugeständnisse macht.»
Walter-Borjans: Gutes Ergebnis
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans hat das Scheitern des Steuerabkommens im Bundesrat als «gutes Ergebnis für die ehrlichen Steuerzahler» bezeichnet. «Mit unserem Nein haben wir verhindert, dass deutsche Steuerbetrüger und ihre Helfer in Schweizer Banken durch ein Abkommen geschützt werden», sagte der SPD-Politiker. Das Abkommen hätte es ermöglicht, dass Steuerhinterzieher ihr Schwarzgeld in der Schweiz zu einem Sonderrabatt günstig und anonym legalisieren können.
In der Blockade des Bundesrates durch die von SPD und Grünen regierten Bundesländer sieht der Finanzminister allerdings kein endgültiges Ende für eine deutsch-schweizerische Lösung. «Das Aus für das vorliegende Steuerabkommen ist nicht das Ende der Gespräche mit der Schweiz», sagte Walter-Borjans. Stattdessen müsse es jetzt Verhandlungen über ein «wirklich gerechtes» Abkommen geben.
Handelskammer: Letzte Chance nutzen
Die Handelskammer Deutschland-Schweiz bedauert das Scheitern. Mit dem Abkommen würde nach Ansicht der Handelskammer ein jahrelanger Streitpunkt zwischen beiden Ländern beigelegt werden können.
Es sei ein guter Kompromiss der beiden Staaten, mit dem sie ihr jeweils geltendes Recht wahren könnten, schreibt die Handelskammer in einer Stellungnahme. «Die Handelskammer ruft dazu auf, die letzte Chance auf ein Zustandekommen des Steuerabkommens im Vermittlungsausschuss zu nutzen.»
SDA/bru/rbi
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