Obersimmental und SaanenlandNun stellt Bevölkerung die Weiche
Ist die integrierte Gesundheitsversorgung mit oder ohne Spital erwünscht? Die Bevölkerung des Obersimmentals und Saanenlands entscheidet in diesen Wochen.

Die Zeit hat allmählich gedrängt. Denn schliesslich stehen die Daten der Gemeindeversammlungen in den Gemeinden des Obersimmentals und Saanenlands schon lange fest (siehe Ende des Artikels). An diesen – so hatte die Gesundheit Simme Saane AG (GSS) weit im Voraus angekündigt – sollte die Bevölkerung bestimmen können, wie es mit der integrierten Gesundheitsversorgung weitergeht.
Diese integrierte Versorgung «Gesundheitscampus Simme Saane» mit Akutspital in Zweisimmen hat die GSS – vor zwei Jahren gegründet – gewissermassen als Zielbild formuliert. Natürlich nicht im Alleingang, sondern in weiteren Gesprächen mit den Partnern Spital STS AG, Spitex-Verein Saane Simme, Genossenschaft Maternité Alpine und Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern unter Vorsteher Pierre Alain Schnegg.
Über die Zielsetzung, dass die beiden Talschaften ihre Gesundheitsversorgung selber an die Hand nehmen können, entscheiden sie nun selbst. Respektive einstweilen mal über die nächsten gewünschten und zu realisierenden Schritte. Dabei geht es aber um eine grundsätzliche Weichenstellung.
Wie das Spital-Aus droht
Will die Bevölkerung, dass der «Gesundheitscampus Simme Saane» mit einem Spital in Zweisimmen vertieft erarbeitet und bis spätestens Ende 2022 in einer verbindlichen Volksabstimmung vorgelegt werden soll? Spricht sich die Mehrheit der Gemeinden dagegen aus, wird die GSS eine integrierte Versorgung mit einem ambulanten Gesundheitszentrum ohne stationäre Versorgung umsetzen. Das Spital Zweisimmen wäre damit Geschichte.
Was ist nun Sache? Im «Gesundheitscampus Simme Saane» beteiligen sich die Gemeinden finanziell an einem Defizit. Aus diesem Grund sollen die Gemeinden zukünftig die Steuerungsrolle einnehmen und die langfristige strategische Ausrichtung des Spitals Zweisimmen sowie die integrierte Versorgung mitbestimmen.
«Der Defizitbeitrag pro Einwohner für das Spital Zweisimmen macht zwischen 7,5 und 20 Prozent der Kosten pro Einwohner des Lastenausgleichs Sozialhilfe aus.»
Wie viel müssen denn die einzelnen Bürgerinnen und Bürger zur Defizitbeteiligung von 1,5 Millionen Franken hinblättern? «Der Defizitbeitrag pro Einwohner für das Spital Zweisimmen macht zwischen 7,5 und 20 Prozent der Kosten pro Einwohner des Lastenausgleichs Sozialhilfe aus», sagt Stephan Hill, Verwaltungsratspräsident der GSS. «Das sind zwischen 43 und 111 Franken pro Einwohner und Jahr.» Konkret heisst dies für Boltigen 43, Zweisimmen (inkl. Standortabgeltung) 111, St. Stephan 47, Lenk 89, Saanen 100, Gsteig 53 und Lauenen 63 Franken.
Das wäre der Preis, um den Vorteil einer solchen Lösung zu erwirken: Die strategische Führung ginge so an die Gemeinden über. Respektive die GSS übernimmt sie in deren Auftrag.
Argumente der Bergregion
Die Geschäftsführung der Bergregion Obersimmental-Saanenland, zusammengesetzt aus den Vorsitzenden der Gemeinderäte, setzt sich für den «Gesundheitscampus Simme Saane» mit Spital in Zweisimmen ein: «Die integrierte Versorgung ‹Gesundheitscampus Simme Saane› mit Spital in Zweisimmen stärkt das regionale Gewerbe, erhöht die Standortattraktivität und gibt der Bevölkerung sowie dem Tourismus längerfristig einen Mehrwert. Das Spital Zweisimmen als wichtiger Arbeitgeber in der Region muss erhalten und sogar noch gestärkt werden.»
Notfall würde wegfallen
So lautet ihr klares Statement, das sie mit weiteren Zahlen in ihrer Medienmitteilung ergänzt. Bei der Variante mit Spital erwartet die GSS durch die Erzielung von Synergien einen Arbeitsplatzverlust von 5 Stellen. Bei der Variante ohne Spital wären es 84 Arbeitsstellen in Vollzeitäquivalenz, die wegfallen. Nicht mehr weiterbestehen könnte die Geburtshilfe durch die Maternité Alpine, die auf einen OP-Saal angewiesen ist und nach jüngeren Umfragen einen guten Rückhalt in der Bevölkerung hat. Und: Der 24-Stunden-Notfall mit stationärer Nachversorgung hätte nicht mehr Bestand.
Bei einer Lösung ohne Spital fällt der Defizitbeitrag zulasten der Bevölkerung weg.
Bei einer Lösung ohne Spital fällt der Defizitbeitrag zulasten der Bevölkerung weg. Die erwarteten indirekten Kosten bei einer Lösung mit Spital stuft die GSS auf null ein, bei einer Variante ohne Spital dagegen bei 6 Millionen.
Informationen aus dem Engadin
Die GSS lädt die Bevölkerung an zwei öffentliche Informationsveranstaltungen ein, um umfassend und aus erster Hand über den «Gesundheitscampus Simme Saane» zu informieren. Als Gastreferent tritt Philipp Gunzinger, Stiftungsratspräsident des Gesundheitszentrums Unterengadin (CSEB), auf.
Das CSEB umfasst ein Akutspital, die Spitex, Alters- und Pflegeheime und andere relevante Gesundheitsdienste, wie die GSS informiert: «Die Gesundheitsversorgung in dieser Bergregion konnte so weiterentwickelt, optimal koordiniert und noch bedürfnisgerechter gestaltet werden. Der Zusammenschluss erfolgte vor über zehn Jahren und stellt einen einzigartigen Schritt in der gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Entwicklung dar, welchem national Pioniercharakter zukommt.» An dieses Betriebskonzept des CSEB lehnt sich auch der «Gesundheitscampus Simme Saane» an.
Die beiden Orientierungsabende sind auf Donnerstag, 11. November (Mehrzweckhalle Lenk), und Freitag, 12. November (Landhaus Saanen), jeweils um 19.30 Uhr, angesetzt. An folgenden Tagen wird an den Gemeindeversammlungen entschieden: Lauenen am 20. November, Boltigen am 23. November, St. Stephan am 26. November, Saanen am 3. Dezember, Lenk am 7. Dezember, Gsteig und Zweisimmen am 10. Dezember (mit Covid-Zertifikat und Maskenpflicht).
Svend Peternell ist Redaktor und schreibt vorwiegend über die Gebiete Obersimmental und Saanenland. Auch Kulturthemen (wie Literatur-, Musik- und Theater-Besprechungen) interessieren ihn. Er ist seit 1989 für den «Berner Oberländer» tätig.
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