Nur ein einziger Anwalt für sieben Fans?
Beim Berner Derby Thun gegen YB im Mai 2016 hat die Polizei mehrere Fans wegen Ausschreitungen festgenommen. Ein einziger Anwalt wollte alle gleichzeitig verteidigen – aber er darf nicht.

Das Fussballspiel Thun gegen YB vom 25. Mai 2016 bleibt in unguter Erinnerung. Nach dem Match, den YB 3:0 gewann, randalierten Fans des Berner Vereins in der Stadt Thun, versprayten Häuser und griffen Anwohner an. Es wurden auch Petarden gezündet. In der Thuner Innenstadt warfen Unbekannte unter anderem Steine gegen ein Polizeiauto.
Die Ausschreitungen gingen auf die Kappe beider Lager: Die Übergriffe auf dem Fanmarsch zurück zum Bahnhof konnten den YB-Supportern zugeordnet werden. Aber auch einige FCT-Fans trugen das Ihrige zum unschönen Ende des Derbys bei. «Bei den Steinwürfen hinter dem Bahnhof haben wir die starke Vermutung, dass es Personen aus dem Fanumfeld des FC Thun waren», sagte der Thuner Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler (SP) damals. Im Nachgang hat die Polizei ein Dutzend Personen festgenommen – sieben davon im Zusammenhang mit den Steinwürfen. Gegen Letztere wurde ein zwei Jahre dauerndes Stadionverbot ausgesprochen. Weiter haben sie sich wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Sachbeschädigung zu verantworten.
Ein und derselbe Anwalt bewarb sich um die amtliche Verteidigung aller sieben Beschuldigten. Die Staatsanwalt verweigerte ihm das Mandat. Sie begründete das Nein damit, dass es zu einem Interessenkonflikt kommen könnte. Der Anwalt, respektive einer der Beschuldigten, akzeptierte den Entscheid aber nicht, sondern zog ihn weiter ans Obergericht. Er führte ins Feld, dass eine Vertretung aller Beschuldigten das Verfahren effizient mache. Sieben Verteidiger für sieben Beschuldigte – das würde die Dauer massiv verlängern.
Die Beschuldigten hätten zudem alle einer Mehrfachvertretung zugestimmt. Zudem hätten sie das Gleiche erlebt. Sie seien von der Polizei eingekesselt und anschliessend vernommen worden. Dabei hätten sie die Aussage verweigert. Dies sei aus Angst und Misstrauen passiert. Es gebe keine Beweise gegen die Beschuldigten. Es könne deshalb nur zur Einstellung des Verfahrens respektive zu einem Freispruch kommen. Bei einer Mehrfachvertretung sei der Verteidiger zudem in der Lage, zu gewährleisten, dass die Fans nicht gegeneinander ausgespielt würden. Die Staatsanwaltschaft werde alles unternehmen, um die Gruppe bestrafen zu können. Dies öffne der Willkür Tür und Tor.
Sachverhalt noch unklar
Die Staatsanwaltschaft argumentiert gemäss dem kürzlich veröffentlichten Urteil des Obergerichts anders. Für sie ist der Sachverhalt «in wesentlichen Teilen unklar». Deshalb sei es möglich, dass Beschuldigte im Rahmen des weiteren Verfahrens andere belasten könnten, «um selber einen Freispruch oder ein möglichst mildes Urteil zu erlangen». Aus diesem Grund sei ein Interessenkonflikt für den Verteidiger vorprogrammiert.
Das Obergericht folgte bei seinem Urteil weitgehend der Argumentation der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung verschiedener Angeklagter in einem Strafverfahren sei zwar grundsätzlich denkbar. Die Voraussetzungen dafür seien aber laut Bundesgericht nur in Ausnahmefällen gegeben. «In der Regel bestehe aber eine Interessenkollision.» Oft sei sie anfänglich nicht erkennbar. So könnten Mittäter plötzlich Mitangeklagte beschuldigen, oder es könnten Abhängigkeiten zutage treten. «Ist absehbar, dass solche Differenzen auftauchen, ist eine Verteidigung mehrerer Angeschuldigter nicht zulässig», so das Bundesgericht in einem Entscheid, auf welchen sich das Obergericht stützt. Für das Obergericht ist zudem «nicht völlig unrealistisch, dass jemand der Beschuldigten am Angriff auf die Polizei mit Steinwürfen aktiv beteiligt war». Es sei nun Sache der Staatsanwaltschaft, den Sachverhalt zu klären. Auch das Argument der schnellen Abwicklung greift laut Obergericht nicht. Verfahrenseffizienz rechtfertigt keinen Interessenkonflikt. Es wies deshalb die Beschwerde ab.
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