Die Piraten werden immer dreister, die Befreier immer aggressiver
Kommadoaktionen zur Befreiung gekaperter Schiffe zeigen, dass einige Seestreitkräfte brutaler agieren. Die Aktionen könnten ein Vorbote aggressiverer Taktik sein. Experten warnen vor einer Eskalation.
Die internationalen Bemühungen, den Piraten vor der Ostküste Afrikas das handwerk zu legen, waren nur bedingt erfolgreich. Die Aktionen Südkoreas und Malaysias vom vergangenen Freitag könnten ein Vorbote aggressiverer Taktik sein, sowohl vonseiten der Marine als auch der Piraten. Experten befürchten, dass die Seeräuber zunehmend Geiseln als menschliche Schutzschilde benutzen, wenn Befreiungsaktionen häufiger werden.
Die EU mit ihrer Anti-Piraten-Operation «Atalanta» lehnt es aus Sorge um die Sicherheit der Geiseln ab, gekaperte Schiffe zu stürmen, doch der Frust wächst. Trotz der Patrouillen internationaler Kriegsschiffe, trotz Aufklärungsdrohnen und anderer Methoden wie der Versenkung von Piratenschiffen sind die somalischen Seeräuber nicht zu bremsen.
Über 1000 Geiseln im vergangenen Jahr
2010 nahmen sie 1016 Geiseln, so viele wie nie zuvor. Nach der Kaperung weiterer sechs Schiffe seit Jahresanfang halten sie einem jüngsten Bericht des International Maritime Bureau (IMB) zufolge jetzt 32 Schiffe und 746 Besatzungsmitglieder verschiedener Nationalität fest. Bei Überfällen somalischer Piraten starben 2010 acht Besatzungsmitglieder, 13 wurden verwundet. Ein Jahr zuvor waren es vier Tote und zehn Verletzte gewesen.
Somalische Seeräuber schlagen laut IMB in einem immer grössere Gebiet zu, von Oman auf der arabischen Halbinsel bis hinunter nach Mosambik, 4000 Kilometer entfernt. Die langgestreckte Küste Somalias, wo seit den 90er Jahren Recht und Gesetz nicht mehr funktionieren, am Horn von Afrika bietet perfekte Schlupfwinkel.
Acht somalische Piraten getötet
Südkoreanische Kommandoeinheiten enterten am Freitag den gekaperten Frachter «Samho Jewelry» im arabischen Meer, töteten acht somalische Piraten und nahmen fünf gefangen. Alle 21 Besatzungsmitglieder wurden gerettet, nur der Kapitän wurde von einem Piraten angeschossen. Am selben Tag befreite die malaysische Marine einen Tanker mit 23 Mann Besatzung im Golf von Aden aus den Hände somalischer Piraten. Es gab keine Verletzten, sieben Piraten wurden gefangen genommen.
Der Leiter des UN-Anti-Piraterie-Programms, Alan Cole, vermutet, dass sich Südkoreaner und Malaysier möglicherweise aus Enttäuschung darüber zu den Befreiungsaktionen entschlossen hätten, dass andere Massnahmen wirkungslos blieben. «Es ist gut möglich, dass Seestreitkräfte die Zahl der Patrouillen erhöhen und mehr militärische Aktionen unternehmen, um mit diesem Problem fertigzuwerden», sagte er.
Bislang hatten ein paar Länder Rettungseinsätze unternommen, jeweils binnen Stunden nach den Überfällen beziehungsweise sobald sicher war, dass die Besatzung sich in einen sicheren Raum geflüchtet hatte. Diesem Muster folgte auch die malaysische Aktion. Die Südkoreaner jedoch schlugen eine Woche nach der Entführung zu. Ob die Mannschaft sichere Zuflucht gefunden hatte, blieb unklar - der Kapitän jedenfalls nicht.
«Die Piraten werden immer dreister»
«Es war üblich, sich zurückzuhalten und die Piraten die Schiffe nach Somalia zurückbringen zu lassen. Ich glaube, sie haben sich nur deshalb zu einem härteren Kurs entschlossen, weil die Piraten immer dreister werden», vermutet David Johnson von der britischen Sicherheitsberatung Eos. Wenn Befreiungseinsätze Schule machten, würden die Piraten vermutlich ihre Taktik ändern und Geiseln als Schutzschilde benutzen, sagte Johnson. Vermutlich würden sie ihre Gefangenen aber nicht brutal behandeln.
Die EU-Mission will jedenfalls von Befreiungsaktionen absehen, um das Leben von Geiseln nicht zu gefährden. Jedes Mal, wenn die EU-Schiffe gekaperten Schiffen zu nahe kämen, drohten die somalischen Piraten ihre Geiseln umzubringen, sagte der Sprecher, Oberstleutnant Paddy O'Kennedy. Wo die vier Kriegsschiffe der «Atalanta»-Mission im Golf von Aden patrouillieren, sind die Überfälle laut IMB jedenfalls um mehr als die Hälfte zurückgegangen, von 117 im Jahr 2009 auf 53 im vergangenen Jahr. Um der Piraterie aber wirklich ein ende zu machen, meint O'Kennedy, müssten Frieden und Sicherheit an Land geschaffen werden.
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