«El Chapo» droht, Geheimnisse auszupacken
Im mexikanischen Establishment geht die Angst um: Weil er sich in Haft schlecht behandelt fühlt, droht der Chef des Sinaloa-Kartells, seine Kontakte zur Regierung zu verraten.
Der Guzmán-Clan bläst zum Gegenangriff. Zwei Monate nach der erneuten Verhaftung des mexikanischen Drogenbosses Joaquín «El Chapo» Guzmán wollen seine Anwälte und Angehörigen mit einem Hungerstreik, subtilen Drohungen und lancierten Interviews wieder das Heft in die Hand nehmen.
Sie würden bald eine Liste von Politikern und Parteien veröffentlichen, die Geld vom Chef des Sinaloa-Kartells erhalten hätten, kündigten die Anwälte José González Meza, Juan Pablo Badillo und Carlos Urrutia an. Dann traten sie vor dem Hochsicherheitsgefängnis El Altiplano in einen Hungerstreik, um gegen die aus ihrer Sicht inhumanen Haftbedingen ihres Mandanten zu protestieren.
«Man kann viel über diesen Verbrecher sagen, aber dumm ist er nicht», sagt der mexikanische Wissenschaftler Javier Oliva Posada an der London School of Economics. «Er baut Druck auf die Regierung auf.» Dem Sinaloa-Kartell werden ausgezeichnete Verbindungen ins politische Establishment von Mexiko nachgesagt. Sollte «El Chapo» tatsächlich auspacken, dürfte so mancher Politiker über die Klinge springen.
Scharf bewacht
Flankiert wird die Drohkulisse der Anwälte von einer durchdachten Medienstrategie. Zuletzt beschwerte sich Guzmáns Ehefrau Emma Coronel in einem Interview des Fernsehsenders Telemundo über die Haftbedingungen ihres Ehemanns.
Er werde nachts alle vier Stunden geweckt, das sei Folter, sagte die 26-Jährige. Vor seiner Zelle seien Hunde angekettet, und Kameras würden ihn sogar beim Gang zur Toilette filmen.
Ehefrau vermutet Rache der Regierung
Dahinter vermutet die frühere Schönheitskönigin Rache für die Blamage, die «El Chapo» der Regierung mit seinem spektakulären Gefängnisausbruch im vergangenen Jahr beigebracht hatte.
Der Menschenrechtsbeauftragte der mexikanischen Regierung, Roberto Campa, wies die Vorwürfe zurück: «Die Massnahmen sind gerechtfertigt bei jemandem, der zweimal aus einem Bundesgefängnis geflohen ist.»
Taktik geändert
Gegen «El Chapo» liegt ein Auslieferungsantrag der USA vor. Zunächst wehrte er sich juristisch gegen seine Überstellung in die USA, wo er wegen Mord, Drogenhandel und Geldwäsche belangt wird. Vor einigen Tagen änderte er plötzlich seine Taktik und wies seine Anwälte an, die Auslieferung voranzutreiben. Offenbar hofft er, mit den US-Behörden im Gegenzug für Informationen einen Deal aushandeln zu können. Alternativ will er den Mexikanern wohl bessere Haftbedingungen abtrotzen.
Am Freitag legte seine Tochter Rosa Isela Guzmán Ortiz nach. Es habe ein Abkommen zwischen ihrem Vater und den Behörden gegeben, sagte sie in einem Interview der britischen Zeitung «The Guardian». Ihre Familie überlege nun, Dokumente zu veröffentlichen, die die Finanzierung von Politikern durch den Drogenboss belegen sollen, sagte die 39-Jährige.
«Alle Parteien sind korrupt»
Im politischen Mexiko geht jetzt die Angst um. «Alle Parteien sind korrupt und haben Geld aus dem Drogenhandel erhalten», sagt Guzmáns Anwalt José González Meza. Schon lange gibt es Gerüchte, dass die Regierung dem Sinaloa-Kartell bei seinen kriminellen Geschäfte weitgehend freie Hand liess. Die Idee dahinter war demnach, dass eine dominante Rolle des Verbrechersyndikats von «El Chapo» in der mexikanischen Unterwelt für Ruhe sorgen würde.
Mit ihrer konzertierten Aktion sendet der Guzmán-Clan nach Einschätzung des Wissenschaftlers Oliva nun ein Warnsignal. Die Botschaft ist demnach: «Er weiss Dinge, also treibt ihn nicht in die Enge.»
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