Demo der MassnahmengegnerGlimpflicher Ausgang nach hitzigem Abstimmungskampf
In Bern knallen Petarden, die Polizei nimmt Leute fest. Es gibt brenzlige Situationen, doch der befürchtete Aufmarsch der Massnahmen-Gegner bleibt aus.
Bei eisiger Kälte rüstet sich Bern für einen Ansturm. Während zahlreiche Leute ihre Stimme an der Urne abgeben, sperren Polizisten das Bundeshaus am Vormittag grossräumig ab – das gab es an einem Abstimmungssonntag noch nie. Das Bundeshaus, Symbol der Schweizer Demokratie, scheint wegen eines hitzigen Abstimmungskampfs in Gefahr.
Die Stimmung ist angespannt, denn im Vorfeld riefen Massnahmengegner dazu auf, am Sonntag nach Bern zu fahren, um zu demonstrieren. Teilweise diskutierten sie sogar, ob dem Abstimmungsergebnis zu trauen sei. Reto Nause, Berner Sicherheitsdirektor, zeigte sich deshalb sehr besorgt über den Verlauf des Abstimmungssonntags.
Schon im Vorfeld gab es Zweifel, wie stark die Bewegung noch ist, hatten doch selbst bekannte Massnahmengegner wie Massvoll oder die Freiheitstrychler angekündigt, nicht in Bern demonstrieren zu wollen.
Der Rütlischwur gen Bundeshaus
Um etwa 14 Uhr besammeln sich die Massnahmengegner auf dem Bundesplatz. Allerdings kann von einem grossen Ansturm keine Rede sein, wie auch der bernische Polizeidirektor Philippe Müller sagt, der sich vor Ort ein Bild macht. Zunächst versammeln sich mehrere hundert, wobei die Anzahl schwierig zu schätzen ist. Viele Massnahmegegner suchen zudem zunächst Schutz unter den Lauben – vor dem fallenden Schnee und dem eisigen Wind.
Dann versammelt sich eine Viertelstunde später eine Gruppe: Sie tragen rote Anzüge und Dali-Masken. Die Verkleidung ist angelehnt an die spanische Netflix-Serie «Haus des Geldes». Es gelingt ihnen, die unterschiedlichen Gruppen von Massnahmengegnern vor dem Bundeshaus zu bündeln – indem sie vor dem Zaun in Richtung Bundeshaus die Hände zum Rütlischwur erheben.

Auffällig ist, dass sie sich auf Italienisch unterhalten. «Wir wollen unsere Solidarität mit den Schweizern zeigen», sagt eine Frau aus der Gruppe auf Nachfrage. Sie sei von Como angereist, um die Sache der Schweizer Massnahmengegner zu unterstützen.
Verhaftung heizt Stimmung an
Ansonsten scheint die Demonstration auf dem Bundesplatz ins Leere zu laufen, beim Covid-Gesetz zeichnet sich zu diesem Zeitpunkt ein deutliches Ja ab. Doch dann tritt die Polizei – die sich bis dahin stark im Hintergrund gehalten hat – in Erscheinung: 20 Polizistinnen und Polizisten nähern sich in schnellem Schritt den Protestierenden und gehen auf eine Person zu. Ein Mann, der bereits mehrmals eine Wegweisung erhalten hat, wird verhaftet. Es handelt sich um eine gezielte Aktion, nicht um die Auflösung der Demonstration.
Doch der Menge gefällt das gar nicht: Buhrufe und Gerangel sind die Folge. Die Polizisten werden daraufhin mit Schimpfwörtern eingedeckt. «Landesverräter» ist eine der harmloseren Beleidigungen, die fallen.
Daraufhin droht die bisher ruhige Stimmung zu kippen, die Polizisten verschwinden durch das Käfiggässchen mit der verhafteten Person. Nun treten auch teilweise rechtsextreme Gruppen in Erscheinung.
Die Stimmung ist zwar weiter angeheizt, allerdings kommt es zu keiner heiklen Situation mehr. Um halb vier marschieren die Demonstrierenden Richtung Bahnhofplatz, koordiniert von einem Mann mit Megaphon – er hat den Platz seit Stunden mit Parolen beschallt.
Als sie bei der Bahnhofs-Welle einbiegen, warten bereits Polizisten vor dem Eingang des Detailhändlers Loeb auf den Mann. Diesmal bekommen es nur wenige mit, weshalb sich der Protest in Grenzen hält.
Ein letztes Aufbäumen
Nun beginnt ein Umzug, der an ein Katz-und-Maus-Spiel erinnert. So drehen die Protestierenden eine Runde durch den Bahnhof. Beim Rausgehen nennen sie Leute, die eine Maske tragen, «Schafe» und verlangen teilweise, dass sie sich der Maske entledigen sollten. Dann gehen sie wieder zur Welle zurück und marschieren zum Weihnachtsmarkt beim Waisenhausplatz, wo sie «Liberté» skandieren.
Zwar ist die Truppe auf wenige Dutzend gesunken, diese wirken allerdings zunehmend alkoholisiert. Sie zünden Rauchpetarden und werfen mit Böllern um sich, mehrmals knallt es ohrenbetäubend, die Menge jubelt. Die Polizei scheint sich erneut zum Zugriff bereit zu machen.
Doch dann löst sich die Truppe komplett auf, viele gehen auf den Zug. Einige wenige wollen nicht aufgeben, und formieren sich in verschiedenen Orten der Stadt – es ist ein letztes Aufbäumen. Die Kapo verhaftet Einzelne.
Zum glimpflichen Ausgang hätten wohl die garstige Witterung und das deutliche Resultat der Abstimmung beigetragen, sagt Sicherheitsdirektor Nause. «Bei einem knapperen Ergebnis wäre die Situation in der Handhabung wohl schwieriger geworden», sagt er. Zu diesem Zeitpunkt ist klar: 62 Prozent haben ein Ja zum Covid-Gesetz in die Urne gelegt.
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