Ein Schutzengel auf dem Highway to Hell
Mit dem Theaterstück «Zum Glück» von Franz Hohler beweist die Kyburgbühne Thun ein glückliches Händchen. Die fesselnde Handlung um ein sich zerlegendes Ehepaar züchtete an der Premiere beim Publikum schallendes Lachen.

Über viele Jahre verheiratet zu sein, erweist sich zuweilen ähnlich ungesund wie ein waghalsiges Tänzchen am Rand eines Piranha-Beckens. Im Auftrag der himmlischen Geschäftsleitung taucht ein verpeilter Schutzengel (Marc Zenger) auf, um bei einem Ehepaar nach dem Rechten zu sehen. Kann er bei ihnen das Glück finden? Der Beflügelte in Rockermontur erledigt seine Arbeit nicht zum Spass, denn sein Boss spielt mit dem Gedanken, seinen Berufsstand wegzurationalisieren. Nun ist es an ihm, zu beweisen, dass Schutzengel unverzichtbar sind.
Gespräch über Kompost
Er (Tony Frank) trägt eine peinliche Schürze, auf dem zwei fette Marienkäfer grinsen. Das Lächeln ist ihr (Pia Abplanalp) schon lange vergangen. Während sie am Laptop klebt, beklagt er sich Nerven sägend über einen nicht kompostgerecht entsorgten Teebeutel. Auch die Kleberli auf den Bananenschalen und der abgelaufene Apfelquark machen ihm Sorgen. «Wollen wir eine schöne Stimmung oder einen schönen Kompost?», will sie wissen. Er entscheidet sich lahm für Letzteres, um sie Erbsen zählend weiterzuplagen. Bei diesem Mann drängt sich der Wunsch nach einem Fläschchen mit Totenkopfemblem auf.
Derweil notiert der Schutzengel eifrig schönfärberisch Glücksmomente der beiden. Er nennt sie Schatz, sie nennt ihn nichts. Doch ihr fällt beim Sortieren von Fotos auf dem Laptop auf, dass sie als Paar nur in Gesellschaft glücklich wirken. «Dann müssen wir mal wieder Gäste einladen», schlägt er vor.
Der Sand wird grobkörniger
In einem Brief gratuliert die Tochter, die nach Australien auswanderte, den Eltern zur silbernen Hochzeit und unterschreibt mit «kleine Prinzessin». So hat der Vater sie einst genannt und sie auf die Stirn geküsst.
«Wollen wir eine schöne Stimmung oder einen schönen Kompost?»
Der Sand im Ehegetriebe wird grobkörniger: Stirn- oder Zungenkuss? Sie wirft ihm Missbrauch vor. Nun hat der Schutzengel alle Hände voll zu tun, denn sie flirtet mit einem Messer, während er sich von hinten würgebereit anschleicht. Aggressiv wirft er ihr vor, die Kinder mit ihrer klassischen Musik aus dem Haus getrieben zu haben, greift zur Gitarre und grölt «Highway to Hell». Inzwischen fliesst der Wodka: «Es kommt noch so weit, dass ich anfange zu saufen wegen diesem Tüpflischiesser.» Der blanke Hass lodert auf der Bühne.
Ende mit Überraschung
Es wäre kein Theaterstück von Franz Hohler, der an der Premiere im Publikum sass (siehe Kurzinterview rechts), wenn das Ende der Komödie vorhersehbar wäre. Die Protagonisten erzeugten mit schauspielerischer Sicherheit einen ehelichen Schwelbrand, der dem Publikum den Atem abschnürte.
Gleichzeitig bietet die Inszenierung von Regisseur Alex Truffer immer wieder Momente des Durchschnaufens angesichts grotesker Szenen, die wohl jedem in der ausverkauften Alten Oele irgendwie bekannt vorkamen. Sympathisch tapsig schlängelte sich Marc Zenger als Schutzengel durch die Schlammschlacht. Befreites Lachen wechselte mit Luftanhalten ab. Der überraschende Schluss verschlug dem Publikum erst den Applaus. Doch die klatschende Zurückhaltung steigerte sich zusehends in tosenden Beifall für ein Kammerspiel der besonderen Art.
Aufführungen in der Alten Oele: 17., 18., 19., 21., 22., 24., 25., 26., 28. und 29. März. Wochentags 20 Uhr, sonntags 17 Uhr. Reservierungen unter www.kyburgbühne.ch, Telefon: 079 55 22 917, Montag bis Freitag, 17 bis 18 Uhr, oder Billettvorverkauf in der Cafébar Alte Oele, Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr.
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