Revolution für Fleissarbeiter
Nüchtern, distanziert und ohne Revolutionärsgeist: Steven Soderbergh Che-Guevara-Epos «The Argentine» mit Benicio Del Toro als «Commandante».

Nein, für hippe Fussballfans, die Ernesto «Che» Guevaras Konterfei auf einem schicken roten T-Shirt tragen, ist dieses Mammutwerk nicht gedreht worden. Hartnäckig hat sich Regisseur Steven Soderbergh («Traffic») bei seinem Herzensprojekt den Forderungen des Mainstreams widersetzt. Das fängt schon bei der Länge an. In satten vier Stunden, verteilt auf zwei Filme, erzählt er von Guevaras (1928–1967) Wandel vom argentinischen Arzt zum Revolutionär, seinem Aufstieg zum Truppenführer und Staatsmann in Kuba und – im zweiten Teil «Guerilla» – seiner Rückkehr zur Revolution in Bolivien mit dem bekannten tödlichen Ende. Zerschnittener GesamtfilmAuf dem dramaturgischen Weg dahin bricht «The Argentine» ziemlich unvermittelt ab, nachdem das Batista-Regime in Kuba zuvor in einem langwierigen Guerillakrieg bezwungen wurde. Produzentin Laura Bickford räumt ein, dass dieser erste Teil vor allem darum entstanden sei, weil der zweite Teil sonst unverständlich geblieben wäre. Umso ärgerlicher ist, dass der Gesamtfilm in zwei Teile mit getrennten Kinostarts zerschnitten wurde.Eins aber wird bereits nach der Ansicht von «The Argentine» deutlich: Soderbergh liess sich nicht dazu verführen, der Legende und Pop-Ikone Che Guevara pathetisch zu huldigen, weigert sich aber auch, sie auf Teufel komm raus vom Sockel zu stossen. Der Preis, den er für dieses honorige Bemühen um objektive Darstellung zahlt, ist allerdings hoch. Nicht nur Soderberghs Kamera hält einen auffälligen Abstand zu dem von Benicio Del Toro («Traffic», «21 Grams») verkörperten «Commandante». Auch Peter Buchmanns («Eragon») Drehbuch dringt nie zum Menschen hinter der Uniform durch. Stattdessen versachlicht es Guevara bis zur Unkenntlichkeit, treibt ihm jede Individualität jenseits revolutionärer Rhetorik aus. Man sieht den strengen, aber integren Anführer im Regenwald, man hört den Redner in einem Interview mit einer US-Journalistin und kann ihn in täuschend echt wirkenden Schwarzweissaufnahmen vor den Vereinten Nationen in New York beobachten. Ein wahrer Revolutionär, hört man Guevara an einer Stelle aus dem Off sagen, werde in erster Linie von der Liebe zu den Menschen geleitet. Gleichzeitig sieht man, wie er mit seinen Männern aus dem Hinterhalt auf Soldaten schiesst. Solche irritierende Momente bleiben jedoch allzu flüchtige Ausnahmen.Nüchterne DarstellungAuch Del Toro gelingt es nicht, hinter der historischen Patina einen Menschen mit Widersprüchen und inneren Kämpfen, von denen in Guevaras Tagebüchern durchaus zu lesen ist, zum Leben zu erwecken. Geschlagene sieben Jahre will Del Toro, der auch als Produzent an «The Argentine» beteiligt war, für das «Che»-Projekt recherchiert haben. Eine erdrückende Faktenlast, von der er sich nie frei zu spielen vermag. Bei seiner spröden, nüchternen Darstellung bleibt das Charisma auf der Strecke. Überhaupt ist von der Begeisterung, die das Projekt initiierte, im fertigen Film kaum noch etwas zu spüren. Langweilig gerät der handwerklich routiniert inszenierte Guerillastreifen deshalb zwar nicht. Das, was ihm aber fehlt, ist ausgerechnet die erzählerische Leidenschaft.
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