24-Stunden-Hofladen im Breitsch«Rüedu» will Bauern in die Quartiere bringen
Im Berner Breitenrainquartier steht seit dieser Woche die erste Gemüsebox des Unternehmens «Rüedu». Weitere 15 Hofläden dieser Art sollen in Berns Quartieren, aber auch grösseren Dörfern folgen.

Die Kirschen aus Mörigen möchte man sofort essen, der Seeländer Salatkopf braucht noch eine Dusche, und verarbeitete Lebensmittel gibt es höchstens in Form von Käse, Butter und Milch aus Worb und Gerzensee. Seit letztem Samstag steht bei der Wylerstrasse 34 ein 18 Quadratmeter grosser Holzcontainer im Laden. «Rüedu» heisst der Hofladen, den die Gründer Jürg Burri und Tom Winter in 15-facher Ausführung vorerst in der Region Bern aufstellen wollen. «Wir wollen lokalen und regionalen Produzenten einen direkten Weg in die Quartiere bieten», sagt Burri.
Die Idee dazu hatte er durch seine Erfahrungen aus Jobs in der Verpackungsindustrie, bei einer Frischeplattform und in der Logistik. «Immer wieder merkte ich, dass es bei den Produzenten einen grossen Unmut gab.» Sei es bei der Bezahlung, bei «übertriebenen» Regulatorien oder bei Normen, wie die gelieferte Ware auszusehen habe. «Das ist Unsinn, und der Abfall, den wir produzieren, ist verantwortungslos», sagt der 47-Jährige. Mit «Foodoo» gründete er mit drei Partnern ein erstes Projekt in diese Richtung. Dieses startete mit Gemüsebouillon aus Rüstabfällen und wurde mit Mayonnaise und Tomatensauce erweitert. Diese Marke ist auch im «Rüedu» vertreten.

Viele unabhängige Quartierläden haben zugemacht, weil die Mieten immer höher wurden und die Lohnkosten schwierig zu decken waren. «Weil wir nicht fix in ein Gebäude gehen, können wir Kosten sparen, die wir für eine faire Entlöhnung der Produzenten und für Logistikkosten ausgeben», sagt Burri. Auch bei den Löhnen kann er sparen, denn die Container sind unbemannt. Spontan und flexibel wie die Gesellschaft heute ticke, können Kunden, die sich in der App registrieren, sieben Tage die Woche und rund um die Uhr rein. Mehrmals pro Tag werden die Läden mit Waren aus dem Verteilzentrum Worb neu bestückt.
Vis-à-vis vom neuen «Rüedu» befindet sich seit den 80er-Jahren der Weltladen. Der Einwand, dass sich die beiden direkt konkurrenzieren, weist Burri von sich. Für beide Formate gebe es hier Platz. «Die Wyleregg soll ein Treffpunkt werden, wir können parallel koexistieren und diese Ecke noch mehr beleben», ist er sich sicher. Die Quartiere Breitenrain, Wyler und Lorraine seien gross genug. Der Weltladen setze rigoros auf Bioprodukte, das sei bei «Rüedu» nicht der Fall. Zusammen würden sie eine gesunde Alternative zu Tankstellenshops bieten.
Ein Vollsortiment inklusive Zitrone
Ihm ist es wichtig, seine Produzenten persönlich zu kennen. Im Winter, wenn das Angebot nicht mehr so paradiesisch breit ist, wie dies jetzt der Fall ist, muss er sich auch auf Gesellschaften verlassen, die die Ware aus dem Ausland importieren. Aber: «Man findet auch jetzt Zitronen bei uns, schliesslich wollen wir ein Vollsortiment haben.» Hier setzt er wiederum auf Bio-Produkte, um seinen Grundsätzen treu zu bleiben.
Hofläden kämpfen manchmal damit, dass die Leute nicht genug zahlen oder die Ware mitgehen lassen. Jürg Burri wirkt dem mit einer Videokamera entgegen. Der Self-Check-out von «Rüedu» lasse sich mit demjenigen der Supermärkte vergleichen. «Man scannt Preisschilder, das ist verpflichtender als das Selberwägen im Hofladen.» Und er gibt zu bedenken: «Die Produzenten kommen ja eigentlich aus der Nachbarschaft. Und wer bestiehlt schon Nachbarn?»
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