«Kaffee Schnaps zum Frühstück war verbreitet»
Vor hundert Jahren wurde in der Schweiz doppelt so viel Alkohol konsumiert wie heute. Waren unsere Vorfahren alles Süchtige? Die Eidgenössische Alkoholverwaltung gibt Auskunft.
Herr Rion, wie ist das Verhältnis des Schweizers zum Alkohol im Jahr 2012? Das Verhältnis ist stabil geblieben. Die grosse Mehrheit der Schweizer hat eine vernünftige Beziehung zum Alkohol. Die Probleme, die durch den Konsum entstehen, beschränken sich auf einen kleinen Teil der Bevölkerung. Die Situation ist bei weitem nicht mehr mit derjenigen vor 100 Jahren vergleichbar, als Alkohol noch stärker zum festen Bestandteil des täglichen Lebens gehörte.
Sie haben es angesprochen: Die Statistik besagt, dass der Alkoholkonsum vor 100 Jahren fast doppelt so hoch war. Waren unsere Vorfahren alles Alkoholiker? Die Trinkgewohnheiten haben sich enorm gewandelt. Dafür könnte es mehrere Gründe geben. Es hat einerseits mit dem Gesellschaftswandel zu tun. Die Arbeit nimmt heute viel mehr Raum ein, das Stresspotenzial hat zugenommen. Pointiert ausgedrückt: Die Leute gehen nicht mehr zwei Stunden Mittagessen und trinken dazu einen halben Liter Wein. Die Arbeitgeber verlangen heute mehr denn je, dass man jederzeit funktioniert und produktiv ist. Zusätzlich hat sich unser Konsumverhalten verändert. Dazu beigetragen haben sicherlich auch die Bemühungen in der Alkoholprävention. Die Leute sind sich bewusst, dass übermässiges Trinken negative Folgen für die Gesundheit haben kann – auch wenn ein gemässigter Konsum vielleicht auch positive Auswirkungen hat. Darüber gab es vor hundert Jahren noch kein ausgeprägtes Bewusstsein.