Sei nicht böse, Eric
«Wir sind stolz, kapitalistisch zu sein», sagt Google-Verwaltungsrat Eric Schmidt. Am Montag ist er in Nordkorea, der letzten stalinistischen Bastion, eingetroffen. Wie passt das zusammen?
Ein Kilogramm Süssigkeiten – so viel bekommt jedes Kind in Nordkorea am Dienstag, dem Geburtstag von Kim Jong-un, dem Obersten Führer der stalinistischen Diktatur. Man braucht kein Zyniker zu sein, um die Aktion als beste Tat seit Kims Machtantritt am 29. Dezember 2011 einzustufen. Denn der radikale Wechsel in der Politik des verarmten Landes, welcher der Machthaber in seiner Neujahrsrede angekündigt hatte, bleibt vorerst nicht mehr als ein Versprechen.
Der 30-jährige Jungdiktator, der von einem «Wendepunkt in der Entwicklung zu einem wirtschaftlichen Giganten» sprach (Redaktion Tamedia berichtete), ist ein Irrwisch. Je nach Gelegenheit sagt er genau das, was der Westen hören will (Beispiel Wirtschaftspolitik), nur um daraufhin den Adressaten der Botschaft mit Raketentests zu provozieren.
«Nicht konstruktiv»
Einer, der sich deswegen nicht verunsichern lässt, ist Eric Schmidt, seines Zeichens ehemaliger Apple-Verwaltungsrat, Ex-Google-Chef und seit April 2011 im Verwaltungsrat des Suchmaschinenkonzerns. Schmidt besucht dieser Tage das politisch isolierte Land, um sich – wie seine Delegation US-Medien gegenüber sagte – über die wirtschaftliche Lage Nordkoreas und die Handhabe seiner Einwohner mit Sozialen Medien zu informieren.
Die Meinung der Öffentlichkeit im Westen scheint gemacht: Der Konzern, dessen Öffentlichkeitsbeauftragte auch 14 Jahre nach Firmengründung gerne auf das inoffizielle Motto «Don't be evil» (Sei nicht böse) verweisen, macht mit jedem Geschäfte – egal, ob gut oder böse («Transparenz-Papst trifft Zensur-Meister» titelt etwa der «Focus»). Die Google-Kritiker werden dabei ideologisch unterstützt von der US-Regierung, die Schmidts Trip als «nicht konstruktiv» und «nicht für günstig» einstufen.
«Man nennt dies Kapitalismus»
Die Massregelung Washingtons und die Skepsis der Anti-Google-Front sind auf den ersten Blick durchaus angebracht: Mit unverhohlener Arroganz watschte Schmidt vergangenen Monat die Kritiker ab, welche sich über die Steuerspartricks des Konzerns mokierten, welche Google 2011 Steuereinsparungen von zwei Milliarden Dollar gebracht haben sollen: Seine Firma werde grosse Steuerersparnisse «nicht ablehnen», sagte Schmidt und fügte an: «Man nennt dies Kapitalismus. Wir sind stolz, kapitalistisch zu sein.»
Zwei Punkte allerdings passen nicht ins Bild des machthungrigen IT-Multis. Erstens wird Schmidt in Nordkorea vom früheren Gouverneur des US-Staats New Mexico, Bill Richardson, begleitet, einem Vertrauten Bill Clintons. Der ehemalige US-Präsident schickte Richardson mehrmals auf heikle diplomatische Missionen, auch nach Nordkorea.
Medien berichten, dass sich die prominenten US-Besucher für die Freilassung eines im November in Nordkorea festgenommenen Amerikaners engagieren wollen. Ähnliche Aktionen waren in der Vergangenheit von Erfolg gekrönt: 2010 holte Ex-Präsident Jimmy Carter eine Geisel nach Hause, ein Jahr zuvor gelang Bill Clinton die Freilassung zweier amerikanischer Journalisten.
Jahrelanger Streit mit China
Zweitens liegt Google mit Nordkoreas (einzigem) Verbündeten China im Dauerclinch, seit der Internetkonzern sich 2010 geweigert hatte, Suchergebnisse weiter zensieren zu lassen. Google verlagerte daraufhin seine Server nach Hongkong. Möglich, dass Googles Widerstand gegen staatliche Eingriffe nicht wegen Eric Schmidt, sondern trotz Eric Schmidt zustande kam – damals sollen sich die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page gegen den damaligen Firmen-CEO durchgesetzt haben, welcher China entgegenkommen wollte.
«Don't be evil», Eric – vielleicht muss das Gründerduo Schmidt einfach von Zeit zu Zeit an den Firmenslogan erinnern.
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