Bei unbewilligten DemosBerner Stadtrat will Kostenüberwälzung nur in Ausnahmefällen
Der Stadtrat verabschiedete am Donnerstagabend in einer turbulenten Sitzung ein neues Kundgebungsreglement.

Bei Demos, bei denen Gewalt an Personen oder Sachen verübt worden ist, können die Gemeinden dem Veranstalter und den gewaltausübenden Personen die Kosten des Polizeieinsatzes ab Beginn der Gewaltausübung in Rechnung stellen. So steht es im neuen kantonalen Polizeigesetz. Die Vorlage wurde 2019 vom bernischen Stimmvolk gutgeheissen; sie fand damals auch in der rot-grünen Stadt Bern eine klare Mehrheit.
Die Kostenüberwälzungen bei Kundgebungen sind umstritten: Linke Parteien, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen hatten den entsprechenden Artikel des Polizeigesetzes trotz verlorener Abstimmung bis vor das Bundesgericht angefochten. Ohne Erfolg.
Nun versuchte am Donnerstagabend der Berner Stadtrat in einer turbulenten Sitzung, den umstrittenen Artikel abzuschwächen. Hintergrund war die Teilrevision des städtischen Kundgebungsreglements. Das Stadtparlament stimmte einem Antrag der Kommission für Finanzen, Sicherheit und Umwelt zu. Er soll im Einklang mit dem kantonalen Recht die Kostenüberwälzungen auf absolute Ausnahmefälle beschränken.
Bei allen «grundrechtsgeschützten» Kundgebungen soll hingegen auf eine Weiterverrechnung der Kosten auf Teilnehmer und Veranstalter komplett verzichtet werden. Im neuen Reglement wurde ausdrücklich verankert, dass bei drei Arten von Kundgebungen keine Kostenüberwälzung erfolgen solle: bei bewilligten Demos, bei Spontandemos sowie bei unbewilligten Kundgebungen, die nicht zu einer Gewalteskalation führen.
Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) gab zu verstehen, dass es diese Bestimmung seiner Ansicht nach nicht gebraucht hätte. Laut kantonaler Vorgabe sei die Kostenüberwälzung sowieso nur bei unbewilligten Kundgebungen mit Gewaltexzessen möglich.
Hohe Kosten bei unbewilligten Demos
Die Diskussion fand auch vor dem Hintergrund der vielen Kundgebungen von Massnahmenkritikern in Bern statt. Die meisten dieser Demos waren in den letzten Wochen unbewilligt, und jede von ihnen verursachte Polizeikosten von 100’000 bis 200’000 Franken.
Sicherheitsdirektor Nause hatte bereits vor zwei Wochen angekündigt, er strebe eine Kostenüberwälzung an. Dabei geht es um Beiträge bis 10’000 Franken, in schweren Fällen bis 30’000 Franken. Allerdings gibt es dabei juristische Knacknüsse. So muss die Polizei allfällige Gewalttaten den betroffenen Personen nachweisen können.
Insgesamt verlief die 2. Lesung des neuen Kundgebungsreglements alles andere als geordnet. Ratspräsident Kurt Rüegsegger (SVP) musste mehrmals zu mehr Disziplin aufrufen und war stark gefordert. Die SVP war mit der Abstimmungsreihenfolge der Anträge nicht einverstanden, stellte immer wieder Ordnungsanträge und forderte den Abbruch der Session. Dazu kam es nicht, das Parlament entschied sich aber um 23 Uhr für eine kurze Pause bzw. ein kurzes «Time-out» (Rüegsegger).
Auch nach der Pause verlängerten die SVP-Stadträte die Session mit unzähligen chancenlosen Ordnungsanträgen. Erst kurz vor Mitternacht passierte die Vorlage die Schlussabstimmung mit 44 zu 26 Stimmen. Die SVP legte formell Protest gegen die Abstimmungskaskade ein.
Andres Marti ist Redaktor im Ressort Bern. Er studierte in Bern und Berlin Geschichte und Germanistik.
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