Tausende feiern Mursis Schachzug
Die Entlassung der zwei höchsten Generäle trägt dem ägyptischen Präsidenten viel Applaus ein. Unklar ist, ob eine politische Vereinbarung mit dem Militär dahintersteht.
Die Entlassung mächtiger ägyptischer Generäle durch Präsident Mohammed Mursi ist in der Nacht auf dem Tahrir-Platz in Kairo von tausenden Menschen gefeiert worden. Nach sechs Jahrzehnten, in denen der Militärrat de facto die Fäden der Macht in der Hand hatte, könnte nun erstmals die als Sieger freier Wahlen hervorgegangene Muslimbruderschaft das Ruder übernehmen. Berichten amtlicher Medien zufolge war der Schritt mit den Generälen abgesprochen. Beobachter bezweifeln allerdings, dass Mursi den politischen Wettstreit damit endgültig für sich entschieden hat.
Der islamistische Präsident hatte gestern Verteidigungsminister Hussein Tantawi sowie Generalstabschef Sami Annan ihrer Ämter enthoben und sie stattdessen zu seinen Beratern ernannt. Zudem riss Mursi die Kontrolle über die Ausarbeitung einer neuen Verfassung an sich. Einige Verfassungszusätze, mit denen sich der Militärrat Ende Juni noch zentrale Machtbefugnisse im Land gesichert hatte, wurden ebenfalls rückgängig gemacht.
«Dies ist eine entscheidende Schlacht»
«Es gab eine Dualität der Macht», sagt Saad Emara, ein hochrangiges Mitglied der Muslimbruderschaft. «Dies musste zugunsten einer einzelnen Autorität gelöst werden. Ein Schiff mit zwei Kapitänen sinkt.» Der Wissenschaftler Omar Aschur vom Brookings Doha Center geht davon aus, dass die Entscheidung mit mehreren der mächtigen Generäle abgesprochen war. Der Militärrat habe in seiner bisherigen Form nicht ewig bestehen können. «Dies ist eine entscheidende Schlacht», sagt Aschur, «aber es wird nicht die letzte gewesen sein».
Die Entscheidungen «sind nicht gegen bestimmte Personen gerichtet oder zur Diskreditierung bestimmter Institutionen gedacht», sagte Mursi in einer Fernsehansprache. Vielmehr wolle er erreichen, dass sich die Streitkräfte ganz auf ihre Aufgaben konzentrieren könnten, vor allem auf die Verteidigung des Landes. Die ägyptische Nachrichtenagentur Mena berichtete unter Berufung auf Militärkreise, Mursis Entlassungen seien im Vorfeld «bedacht und koordiniert» gewesen. Demnach gab es keine «negativen Reaktionen» innerhalb der Streitkräfte.
Reaktionen auf Versagen bei Angriff auf Grenzposten
Die personellen Entscheidungen wurden allerdings auch als Reaktion auf ein offensichtliches Versagen der ägyptischen Sicherheitskräfte in der vergangenen Woche interpretiert. Bei einem Überfall auf einen israelisch-ägyptischen Grenzübergang auf der Halbinsel Sinai waren 16 Soldaten getötet worden. Israel hatte vor einem bevorstehenden Angriff gewarnt. Dass die ägyptischen Sicherheitskräfte keine entsprechenden Vorkehrungen trafen, kostete in der vergangenen Woche bereits den Geheimdienstchef und den Gouverneur der Region den Job.
In der jüngsten Runde personeller Veränderungen an der Spitze der ägyptischen Sicherheitskräfte wurde gestern Abdel Fattah al Sissi zum Nachfolger von Tantawi bestimmt. Tantawi leitete den Militärrat, der das Land nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Hosni Mubarak 17 Monate lang de facto regiert hatte, und war fast 20 Jahre Verteidigungsminister unter Mubarak.
Die Nachfolge Annans soll Sidki Sajed Ahmed antreten. Den ranghohen Richter Mahmud Mekki ernannte Mursi zudem zu seinem Vizepräsidenten. Mekki hatte sich unter Mubarak öffentlich gegen Wahlbetrug ausgesprochen und tritt für Reformen in Ägypten ein. Al Sissi und Mekki wurden kurz nach der Ankündigung vereidigt.
Druck auf Verfassunggebende Versammlung
Zur Beschleunigung des demokratischen Übergangs erhöhte Mursi ausserdem den Druck auf die Verfassunggebenden Versammlung. Sollten die 100 Mitglieder des Gremiums ihre Arbeit aus welchem Grund auch immer nicht beenden, werde er innerhalb von 15 Tagen neue bestimmen und ihnen drei Wochen Zeit für die Ausarbeitung einer Verfassung geben, hiess es. Über den Verfassungsentwurf werde dann binnen 30 Tagen in einem Referendum abgestimmt.
dapd/mw/bru
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