Tausende fordern den endgültigen Ausstieg
In Japan ist gestern der letzte Atomreaktor heruntergefahren worden. Umweltschützer feierten das Ereignis als Wende in der Energiepolitik, während Stromkonzerne bereits vor Engpässen warnen.

Als Folge der Fukushima- Katastrophe muss Japan erstmals seit 42 Jahren komplett ohne Atomstrom auskommen. Am Wochenende ging in der weltweit drittgrössten Industrienation der letzte von 54 Atomreaktoren zu Wartungszwecken vom Netz.
Der Betreiber des Atomkraftwerks Tomari auf der nördlichsten Hauptinsel Hokkaido fuhr Samstagnacht (Ortszeit) den Reaktor 3 Nacht zu Wartungsarbeiten herunter. Er soll für mehrere Monate zu Wartungszwecken abgeschaltet bleiben.
AKW brauchen Zustimmung der Bevölkerung
Die Atomreaktoren werden in Japan alle 13 Monate für eine Wartung heruntergefahren. Seit der Atom- und Tsunami-Katastrophe im März 2011 wurde kein zu Wartungszwecken abgeschalteter Reaktor wieder hochgefahren. Deshalb muss Japan nun erstmals seit den 1970er Jahren komplett ohne Atomstrom auskommen.
Zwar gab die Regierung von Ministerpräsident Yoshihiko Noda im April grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme von zwei Reaktoren in Oi, doch müssen die Behörden noch die Anwohner überzeugen, dem Schritt zuzustimmen. Denn seit dem Unglück wurden die Regeln so verschärft, dass Atomkraftwerke nicht nur einen Stresstest der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bestehen, sondern auch die Zustimmung der örtlichen Bevölkerung erhalten müssen.
Bis zur Katastrophe von Fukushima bezog Japan ein Drittel seiner Elektrizität aus Atomkraft. Die Energiekonzerne haben als Ersatz für die Atomkraftwerke inzwischen stillgelegte Thermalkraftwerke wieder angefahren.
Chance für eine Wende in der Energiepolitik
Umweltschützer sehen in dem erzwungenen Atom-Stopp eine Chance für eine grundlegende Wende in der Energiepolitik des Landes. Am Samstag forderten in Tokio tausende Menschen auf mehreren Demonstrationen den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft.
«Eine neue Ära ohne Atomkraft hat in Japan begonnen», sagte der 56-jährige Mönch Gyoshu Otsu bei einer Kundgebung vor dem Industrieministerium. Der Organisator Masao Kimura sprach von einem «symbolischen Tag». «Nun können wir beweisen, dass wir auch ohne Atomstrom zu leben fähig sind.»
Im Sommer könnte es kritisch werden
Stromkonzerne warnen indes vor Engpässen während der heissen Sommermonate. Nach Angaben von Kansai Electric Power, das die Grossstädte Osaka, Kyoto und Kobe versorgt, könnte aufgrund des hohen Strombedarfs für Klimaanlagen der Bedarf das Angebot um 20 Prozent übersteigen.
Bisher sind Engpässe jedoch ausgeblieben. Der jetzige Zustand ist für Regierung, Industrie und Verbraucher dennoch unbefriedigend. Der verstärkte Einsatz von Kohle, Gas und Erdöl zur Stromproduktion erhöht den Kohlendioxidausstoss und die Abhängigkeit des ressourcenarmen Landes von der Einfuhr von Kraftstoffen.
Im Atomkraftwerk Fukushima Eins waren in Folge des Erdbebens und Tsunamis vom 11. März 2011 mehrere Reaktoren schwer beschädigt worden. Die Kühlung fiel aus und in den Reaktoren kam es zu Kernschmelzen; Radioaktivität gelangte in die Luft, den Boden und ins Meer. Zehntausende Menschen mussten vor der Verstrahlung fliehen. Es war das schwerste Atomunglück seit Tschernobyl 1986.
SDA/kpn
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