Tschäppät-Nachfolge stellt Rot-Grün auf Belastungsprobe
Zehn Monate vor der Berner Stadtpräsidiumswahl herrscht Aufregung im Rot-Grünen-Lager. Mit Alec von Graffenried tritt der dritte Kandidat des Regierungsbündnisses bei der Wahl an.
Dass die Stadt Bern in rot-grüner Hand bleibt, steht ausser Frage. Und trotzdem sorgen die Wahlen vom 27. November schon jetzt für Aufregung: Die Nachfolge von Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) stellt das Regierungsbündnis vor eine echte Belastungsprobe.
Gemeinderätin Ursula Wyss (SP) strebt ebenso nach dem Amt wie ihre Regierungskollegin Franziska Teuscher (Grünes Bündnis). Beide sind sich insofern einig, als dass sie die Zeit reif halten für die erste Frau Stadtpräsidentin in der Bundesstadt.
Doch da ist neuerdings noch ein dritter Kandidat, ebenfalls ein früherer Nationalrat: Alec von Graffenried. Er vertritt die dritte Kraft des Regierungsbündnisses, die Mitte-Partei GFL, und möchte sich eigentlich nicht mit einem Sitz in der Stadtregierung zufriedengeben. Lieber möchte er gleich Stapi Tschäppät beerben.
Das versetzt die Bündnispartner in helle Aufregung. Denn Wyss und Teuscher gelten zwar als fleissige, linientreue Magistratinnen - doch die Herzen der Menschen fliegen ihnen nicht unbedingt zu. Der Bernburger von Graffenried hingegen findet Sympathien bis weit ins bürgerliche Lager.
Entsprechend gross ist die Aufregung bei SP und Grünem Bündnis. Beobachter schliessen nicht aus, dass die Allianz für die Gemeinderatswahlen 2016 noch zerbrechen könnte, obwohl ihr alle drei Parteien in den vergangenen Tagen formell zugestimmt haben.
Vierter Sitz möglich
Das sogenannte Rot-Grüne-Mitte-Bündnis (RGM) wurde 1992 aus der Taufe gehoben und gewann seither alle Wahlen. In der fünfköpfigen Stadtregierung geben zurzeit 2 SP-Vertreter (Tschäppät, Wyss) und eine Grüne (Teuscher) den Ton an. Dass nun auch noch die GFL einen Sitz holt, gilt als wahrscheinlich.
Zunächst muss das rot-grüne Lager aber die Stadtpräsidentenfrage zu klären versuchen. Die Basis von SP und Grünem Bündnis versuchte die eigenen Kandidatinnen zu stärken, indem sie sich mit kunstvollen Formulierungen explizit gegen GFL-Konkurrenz aussprach. Der Slogan der GFL lautet dagegen «RGM - drei Buchstaben, drei Köpfe».
Spiel auf Zeit
Von Graffenried versuchte die Wogen am Dienstagabend zu glätten. «Wir können uns Zeit lassen, die Wahlen finden erst in zehn Monaten statt.» Womöglich zieht er am Schluss sowieso durch die Hintertür in den Erlacherhof ein.
Und das ginge so: Am 27. November würde von Graffenried explizit nur für den Gemeinderat kandidieren und darauf hoffen, dass bei der Stadtpräsidiumswahl niemand das absolute Mehr erreicht. Als gewählter Gemeinderat könnte er dann nachträglich für die Stichwahl ins Rennen ums Stadtpräsidium einsteigen.
Möglich ist dieser Kniff dank einer unscheinbaren Reglementsänderung, welche die Stimmberechtigten kürzlich mit 88 Prozent Ja-Stimmen durchgewunken haben. Selbst SP und Grüne waren dafür. Offenbar war sich kaum jemand bewusst, was die konkreten Folgen für die Wahlen 2016 sein könnten.
FDP und CVP in Bedrängnis
Wie auch immer: Aufregung herrscht zurzeit auch bei den amtierenden Gemeinderäten von FDP und CVP. Holt von Graffenried einen Sitz, muss wohl Alexandre Schmidt (FDP) oder Reto Nause (CVP) über die Klinge springen.
Oder gleich beide: Denn die SVP strebt im Alleingang nach einem Mandat und mobilisiert dafür so ziemlich alles - von dem aus Deutschland stammenden Tierpark-Direktor Bernd Schildger bis zur Allzweckwaffe Erich Hess. Und die SVP ist immerhin die stärkste bürgerliche Partei in Bern.
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