Van Goghs Leben und Tod in seinen eigenen Bildern
Ein hypnotisches Erlebnis: Der Animationsfilm «Loving Vincent» erzählt in einer auf Ölbildern basierenden Filmsprache aus dem tragischen Leben des Malers Vincent van Gogh.

Auf den ersten Blick steckt keinerlei Provokation hinter dem Animationsfilm «Loving Vincent»: Es ist ein mit viel Herzblut und Arbeitswut unternommener Versuch zweier Filmschaffender, mit ihrer Crew die Bildsprache Vincent van Goghs cineastisch aufleben zu lassen und eine Art Biografie zu präsentieren, in dem van Goghs tragischer Tod in Rückblenden aufgearbeitet wird. Und dies – vereinfacht ausgedrückt – in dessen eigenen Bildern.
«Der Film basiert auf einer Idee meiner Frau Dorotea Kobiela», sagt Co-Regisseur und Co-Autor Hugh Welchman. «Sie hat Malerei studiert und jahrelang an Animationsfilmen gearbeitet.
Sie suchte nach einer Möglichkeit, diese beiden Leidenschaften zu verbinden. Bei der Lektüre des Briefwechsels zwischen Vincent van Gogh und seinem Bruder Theo sprang der Funke.»
Komplex und aufwendig
Dieser Funke muss einen grossen Ehrgeiz ausgelöst haben, denn die Produktion des Films war unerhört komplex und aufwendig: «Die Schauspieler agierten in Sets, welche die Struktur der Gemälde van Goghs andeuteten, oder sie spielten vor Green Screens», erklärt Welchman das Verfahren.
«Die Aufnahmen wurden dann mit animierten digitalen Abwandlungen von Van-Gogh-Gemälden versehen. Im Anschluss machte sich ein rund 100-köpfiges Team daran, die insgesamt 65'000 Bilder nochmals in Öl nachzumalen. Diese Gemälde wurden dann abfotografiert und wiederum digital bearbeitet.»
Das Ergebnis dieser jahrelangen Arbeit ist zwar einzigartig und noch nie da gewesen – aber für das Auge des Zuschauers auch zutiefst gewöhnungsbedürftig. Dies dürfte einer der Gründe sein, warum der Film – wie eingangs erwähnt – sein Publikum spaltet.
Deplatziert? Zitierwütig?
Zuerst einmal sieht sich der Film einer puristischen Kritik ausgesetzt, die jegliche Animation von van Goghs Gemälden zur biografischen Illustration als müssig und deplatziert empfindet – vollkommen unabhängig davon, wie behutsam, originalgetreu und stilsicher es gemacht wird.
Ein anderer Kritikpunkt lautet, die Zitierwut der Filmschaffenden lenke von der erzählten Geschichte ab: Van Goghs psychologische Probleme würden völlig untergehen zwischen diffusen Wiedererkennungsmomenten, weil man ständig damit beschäftigt sei, die Originalgemälde vor dem geistigen Auge aufzubauen.
Einstieg in Van Goghs Werk
Regisseur Welchman sagt, «Loving Vincent» sei vor allem als Hommage an einen grossen Künstler gedacht und als ein intuitiver Einstieg in dessen Werk.
«‹Loving Vincent› ist vor allem als Hommage an einen grossen Künstler gedacht.»
Die grösste Herausforderung – bei allen technischen Hürden – sei es gewesen, einen Einblick in die Welt van Goghs zu geben, und in die komplexen Zusammenhänge zwischen der Welt, wie er sie abbildete, und der Welt, wie er sie erfuhr.
Irritierende Qualität
Auf dieser Ebene ist der Film ein voller Erfolg: Van Goghs bewegte Bilder wirken nie einlullend – gerade weil sie in ihrer fliessenden, unruhigen Form auch eine irritierende Qualität in sich tragen –, sondern sie entwickeln auch über das teils holprige Drehbuch hinweg einen hypnotischen Sog, der unmittelbar darauf verweist, was Kino ist und sein soll: verzerrte Realität zwischen Schönheit und Grauen.
«Loving Vincent»: Der Film läuft ab Donnerstag im Kino
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