Verschwörung!
Weshalb hat der Aussenspiegel des Fluchtautos plötzlich eine andere Farbe? Waren es die Freimaurer? Seit den Anschlägen von Paris haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur.

Für Verschwörungstheoretiker ist die islamistische Anschlagsserie in Frankreich ein gefundenes Fressen. Der Angriff auf «Charlie Hebdo» lag erst wenige Stunden zurück, da kursierten im Internet schon wilde Theorien: Haben wirklich Islamisten die französische Satirezeitung attackiert – oder steckt vielmehr der französische Geheimdienst hinter dem Anschlag? Haben die USA oder Freimaurer ihre Finger im Spiel, handelt es sich um ein muslimfeindliches Medienkomplott? Angebliche Beweise für solch krude Theorien konnten zwar schnell widerlegt werden. Doch die Gerüchte halten sich hartnäckig.
Besonders häufig wurden zwei Fotos verglichen, die das Fluchtfahrzeug der Islamisten Chérif und Said Kouachi nach dem Angriff auf «Charlie Hebdo» zeigten. Auf einem Foto sah es so aus, als seien die Rückspiegel des Citroën weiss; als der aufgefundene Wagen von der Polizei untersucht wurde, waren sie plötzlich schwarz. Sehr schnell lieferten Experten aber die Erklärung für dieses nur auf den erste Blick überraschende Phänomen: Die Rückspiegel des Autos sind verchromt und reflektieren das Licht je nach Einfallwinkel.
Der Ausweis im Auto
Auch, dass Said Kouachis Personalausweis im Fluchtwagen gefunden wurde, wollten viele nicht glauben: Einem offenbar militärisch trainierten und kaltblütig agierenden Islamisten sollte ein derartiger Fehler unterlaufen? Ermittler dagegen überrascht das nicht: Denn während die Brüder beim Angriff auf «Charlie Hebdo» mit eisiger Ruhe vorgingen, verlief ihre Flucht chaotisch. Die Brüder hatten schlicht nicht bis zu einer Flucht geplant, weil sie nicht damit rechneten, das bewachte Redaktionsgebäude überhaupt lebend zu verlassen. Und Fehler passieren auch erfahrenen Kriminellen.
Zweifel gab es zudem an den Erklärungen der Behörden zur Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris, bei dem der Islamist Amédy Coulibaly zwei Tage nach dem «Charlie Hebdo»-Anschlag vier Menschen tötete. Die Ermittler konnten laut eigenen Angaben mitverfolgen, was im Inneren des Supermarkts vor sich ging, weil Coulibaly nach einem Telefonat den Hörer nicht richtig aufgelegt haben soll. Vielen erschien das aberwitzig, die Verschwörungstheorien wurden dadurch erst recht angeheizt.
Wenn die Erklärung enttäuscht
«Die dominierende Lesart, wie sie von Polizei, Politikern und Analysten geliefert wird, erscheint vielen als schwach, enttäuschend», sagt Emmanuel Taieb von der Hochschule Sciences Po Lyon, der auf Verschwörungstheorien spezialisiert ist. «Diese Lesart wird daher getilgt oder infrage gestellt und durch eine verführerische, beunruhigendere Analyse ersetzt.» Auch zu den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA kursieren bis heute zahlreiche Verschwörungstheorien.
Immer wieder taucht im Netz auch eine angebliche jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung auf. Internetnutzer wollen sogar festgestellt haben, dass die Demonstrationsroute beim riesigen Gedenkmarsch in Paris am Sonntag vor einer Woche die Grenzen Israels nachzeichnete.
Schnelle Verbreitung
Im Internet, insbesondere in den sozialen Netzwerken, verbreiten sich solche Theorien und Gerüchte rasend schnell. Und gerade bei Jugendlichen, die sich in erster Linie im Internet über das Tagesgeschehen informieren, finden sie viel Anklang. Immer wieder wurde in den vergangenen Tagen darüber berichtet, wie Jugendliche – vor allem aus den benachteiligten Vororten der französischen Grossstädte – Verschwörungstheorien wiedergaben.
«Im Jugendalter muss man gegen die Erwachsenen, gegen die herrschende Ordnung, gegen die Gesellschaft rebellieren», sagt Guillaume Brossard, Mitbegründer der Internetseite Hoaxbuster.com, die im Internet kursierende Gerüchte zu widerlegen versucht. «Alternative Theorien sind für Jugendliche ein tolles Feld, um sich auszudrücken.»
Doch es sind bei weitem nicht nur Jugendliche, die Verschwörungstheorien vertreten. Der 86-jährige Gründer des rechtsextremen Front National (FN), Jean-Marie Le Pen, wurde in einem Interview mit einer russischen Zeitung mit dem Satz zitiert, der Angriff auf «Charlie Hebdo» trage «die Handschrift der Geheimdienste». Später bestritt der FN-Ehrenpräsident den Satz – es handle sich um einen Übersetzungsfehler.
AFP/kpn
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch