Johan Lundskogs ZwischenbilanzWann dem SCB-Coach immer noch die Haare zu Berge stehen
Das 8:1 gegen Langnau war eine Erlösung. Im Berner Spiel sind dennoch diverse Baustellen geblieben, die auch der neue Trainer nicht schönreden will.

Dieses 8:1 gegen Langnau am Freitag brachte dem SC Bern eine grosse Erleichterung, bei Spielern wie bei Fans – es gab Standing Ovations für die Mannschaft. Der erste Sieg im fünften Spiel, nachdem vier Partien lang die Baustellen im SCB-Spiel teilweise gross gewesen waren: Auch den neuen Headcoach Johan Lundskog könnte dieses 8:1 zu einem Durchatmen veranlasst haben. Doch weit gefehlt.
Der vor knapp zwei Wochen 37 Jahre alt gewordene Schwede hat den Ruf des akribischen Tüftlers. Er nutzte das Wochenende zur Analyse des Derbys und kam zu folgendem Schluss: «Natürlich war der Sieg wichtig für uns alle. Aber wir sehen immer noch vieles von dem, was uns die ersten vier Spiele kostete.»
Wir haben darum Lundskog vor dem Heimspiel gegen Aufsteiger Ajoie mit den drei grössten Baustellen in seinem Team konfrontiert.
Die Konter
Statistiken, gerade auch tiefere Analytics, sind nach bloss fünf Spielen stets mit Vorsicht zu geniessen. Doch diese hier kann nicht wegdiskutiert werden: Der SCB lässt bei Kontern ligaweit bislang am zweitmeisten Torchancen zu. Auffallend dabei: Überzahl-Gegenstösse, wenn die Berner Verteidiger zu forsch im Vorwärtsgang sind, wie hier:
Oder wenn jegliche Absicherung durch die Stürmer fehlt, wie hier:
Erfolgsverwöhnte SCB-Fans denken da wohl hin und wieder zurück an den wegen zu langweiligen Spiels auch verpönten Meistercoach Kari Jalonen, unter dem allerlei mit Spekulation verbundener Offensivdrang als Teufelszeug galt und entsprechend grundsätzlich verboten war.
«Diese Statistiken lügen nicht», sagt Lundskog. Es war eines der beiden Hauptthemen des Montags. Lundskog hatte nicht vergessen, dass das Derby mit zwei 2-gegen-1-Konter der Langnauer nach 15 und 50 Sekunden (!) begann: «Wenn wir da nach einer Minute 0:2 zurückliegen, gibt das eine andere Partie …»
Lundskog sieht falsche Entscheidungen der Verteidiger, aber auch grundsätzliche Strukturprobleme im SCB-Spiel. «Da müssen wir als Coaches eingreifen und helfen. Damit die Spieler wissen, wann sie nach vorne gehen können und wann sie absichern müssen.»
Übrigens: Das einzige NL-Team, das noch mehr Torchancen nach Kontern zulässt, ist ausgerechnet Ajoie. Gibt es am Dienstag also ein wildes Hin und Her? «Nein, ich will ein reifes und geduldiges Spiel von uns sehen», sagt Lundskog.

Der Spielaufbau
Es war gegen Langnau lange Zeit nicht anders als bei den vier Niederlagen zuvor. Die Berner bekommen häufig keinen kontrollierten Spielaufbau hin, lassen sich durch aggressives Forechecking zu hektischen Manövern verleiten, die Chaos nach sich ziehen.
Die vielleicht grösste Baustelle Lundskogs: «An unserem Spiel mit dem Puck arbeiteten wir schon seit der Vorbereitungsphase.» Es war das zweite Hauptthema vor dem Ajoie-Spiel, Lundskog zeigte dabei viel Videomaterial: «Auch hier geht es teilweise um falsche Entscheide der Spieler. Aber noch wichtiger ist: Wie unterstützen wir unsere Verteidiger beim Aufbau? Wie erlauben wir ihnen einfachere Pass-Optionen?» Es sei zu einfach, nach verlorenen Pucks bloss auf die Abwehrspieler zu zeigen, wenn sie von den Stürmern keine Hilfe beim Aufbau erhalten.
Das Zweikampfverhalten
Es ist die Baustelle, auf der Lundskog gegen Langnau die grössten Fortschritte sah. Ja, mit 8:1 sei der Sieg angesichts eines lange Zeit ausgeglichenen Spiels zu hoch ausgefallen. «Aber wir belohnten uns auch darum, weil vieles hiervon stimmte: Energie, Einsatz, Laufduelle und Zweikämpfe. Fast alles baut sich im Eishockey darauf auf. Das muss aber Standard sein. Wenn hier etwas nicht stimmt, fällt alles andere auseinander.»
Es waren diverse zweifelhafte Szenen in den Partien zuvor, die die besorgte Anhängerschaft schon früh in Alarmbereitschaft versetzte. Torchancen und Gegentore, weil der Einsatz nicht immer stimmte? Bei solchen Vorfällen stehen auch jedem Coach irgendwann die Haare zu Berge.
Dennoch bittet Lundskog um Geduld: «Es waren fünf Coaches hier in den letzten zwei Jahren, alle mit unterschiedlichen Vorstellungen und Spielsystemen.» Der SCB befinde sich in einem Prozess: «Und wir unternehmen wirklich alles, damit dieser schneller vorangeht.»
Wo Lundskog Fortschritte sieht
Wir schauten bislang fast nur Negativpunkte an. Doch was gefällt Lundskog am Spiel seiner Mannschaft? «Wie wir gegen Langnau den bislang besten Match spielten, was die Einstellung angeht. Ja, die gleichen Fehler passierten immer noch, aber der Effort, diese sofort wieder auszubügeln, war da.» Und Lundskog erwähnt eine Sequenz der Formation um Captain Simon Moser gegen die Tigers im zuvor ebenfalls viel kritisierten Powerplay: «Ich mag aber mittlerweile generell, wo unser Überzahlspiel steht.»
Und nun kommt Ajoie, der Aufsteiger, der in seinen ersten drei Spielen so überfordert schien in der National League, dann aber Ambri 4:0 bezwang. Lundskog weiss: All dieser Goodwill nach dem 8:1 gegen Langnau, er kann mit einem zweifelhaften Auftritt gegen die Jurassier auf einen Schlag wieder verspielt werden. Darum war dies seine letzte Botschaft an die Mannschaft: «Wir dürfen Selbstvertrauen haben. Aber es braucht vor allem auch Demut gegen Ajoie.»
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