«Warum muss man die Mittelstrasse sperren?»
Bis zu 130 Personen nutzten im Sommer die verkehrsfreie Mittelstrasse. Umgekehrt nervten sich auch mindestens 80 Anrainer ob des umgeleiteten Verkehrs.

An die Donnerstag- und Freitagnächte des vergangenen Sommers haben die Anwohner von einigen ruhigen Seitenstrassen im Länggassquartier schlechte Erinnerungen. «Bis um Mitternacht fuhren die Autos durch unseren Privatweg. Zum Teil mit absolut unangemessener Geschwindigkeit», blickt ein Bewohner des Ahornwegs zurück.
Schuld an der ungewöhnlichen Verkehrszunahme auf dem schmalen Quartiersträsschen ohne Trottoir war eine ungewöhnliche Massnahme der Stadt. Sie hatte von Mitte Juni bis Mitte September die verkehrsberuhigte Begegnungszone Mittelstrasse noch mehr beruhigt und den Abschnitt zwischen der Gesellschaftsstrasse und der Zähringerstrasse gleich ganz gesperrt. Jeden Donnerstag und Freitag galt abends ein Fahrverbot für Autos und Velos. Zusätzlich hatte die Stadt zwei Parkfelder an der Mittelstrasse 9 umgenutzt und mit Palmen, Sesseln und einem Fussballtisch möbliert.
Widerstand angekündigt
Eine Umfrage der Stadt bei den Anwohnern und Gewerbetreibenden zeigt nun, dass eine Wiederholung der temporär autofreien Flanierzone auf der Mittelstrasse auf grossen Widerstand stösst. 700 Fragebögen verteilte die Stadt. Von den 200 Rückmeldungen waren 80 negativ. Sie wollen nächsten Sommer keine erneute Sperrung. Die drei häufigsten Kritikpunkte waren der Schleichverkehr im Quartier, die Velofahrer, welche die Sperrung missachteten und rücksichtslos übers Trottoir fuhren, sowie zu viel Lärm. Mit Ausnahme der Gelateria di Berna, der Sattler-Bar und der Migros möchten auch zwölf betroffene Gewerbebetriebe keine Wiederholung des Versuchs.
Übereifrige Kontrolleure haben offenbar die Inhaber und die Gäste des äthiopischen Restaurants Injera davon abgehalten, die Parkplätze am Vereinsweg zu benutzen. Auch die Angestellten der Sanitär- und Spenglerfirma Chapuis + Zürcher an der Mittelstrasse durften die Autos nicht auf ihren Geschäftsparkfeldern abstellen. Ausserdem hinterliessen manche Besucher an den beiden Abenden ihren Abfall vor dem Eingang der Firma.
Genervte Autofahrer
«Es wäre besser, kleine Quartierstrassen und nicht eine viel befahrene Strasse zu sperren», findet Stefan Rüegg von Chapuis + Zürcher. Weniger Verkehr habe es mit der Sperrung nämlich nicht gegeben, er sei nur umgeleitet worden. Diese Umleitung beklagten auch etliche Autofahrer, die im Sommer am Donnerstag- und Freitagabend im Feierabendverkehr vor der abgesperrten Mittelstrasse standen. «Viele hat das genervt», erzählt eine Angestellte der Migrol-Tankstelle. Eilige Autofahrer hätten dann die kürzeste Möglichkeit gesucht, die Absperrung zu umfahren, und seien auf die schmalen Quartiersträsschen ausgewichen.
Stadt: «Durchaus sinnvoll»
Für die Stadt überwiegen trotzdem die positiven Punkte, welche die Befürworter der Schliessung bei der Umfrage ins Feld geführt haben: die Verkehrsberuhigung, das Quartiergefühl und die Möglichkeit von spontanen Begegnungen. Laut Renato Grassi von der Verkehrsplanung der Stadt Bern ist eine Wiederholung der Sperrung nächstes Jahr «durchaus sinnvoll». Weil die Idee zur Sperrung ursprünglich von der Quartierkommission Länggasse-Engehalbinsel (QLE) kam, will die Stadt allerdings noch abwarten, ob die QLE an ihrer nächsten Delegiertenversammlung ebenfalls eine Wiederholung befürwortet.
Änderungen angekündigt
Die Stadtbehörden räumen aber bereits jetzt ein, dass es bei einer allfälligen nächsten Sperrung Änderungen braucht. Die Stadt will die Mittelstrasse erst ab 18 Uhr absperren, wenn der Berufsverkehr am Abklingen ist. Und bereits um 22 Uhr soll Schluss sein, statt erst um Mitternacht. Es könnte sogar eine vierwöchige Pause während der Sommerferien geben, weil Mitte Juli bis Mitte August weniger Leute die Flanierzone besuchten.
«Es wäre besser, kleine Quartierstrassen undnicht eine viel befahrene Strassezu sperren.»
Besser signalisieren
Zur Beruhigung der umliegenden Quartiersträsschen will die Stadt die Umleitung besser signalisieren und mit einer wirksameren Sperrung die Velofahrer dazu bringen, abzusteigen oder die Mittelstrasse zu umfahren. Die Palmen-Lounge auf den Parkplätzen wird es nicht mehr geben, weil sie kaum jemand benutzte.
Auch mit diesen Änderungen wird die Sperrung nächstes Jahr nicht bei allen Anwohnern auf Wohlwollen stossen. Einer der Betroffenen sagte gegenüber dieser Zeitung: «Mit der Begegnungszone und Tempo 20 ist die Mittelstrasse bereits beruhigt. Warum muss man ausgerechnet eine verkehrsberuhigte Strasse noch ganz sperren?»
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