Wenn der Zufall glücklich macht
Pietro ballinariAls Statistiker ist er Experte für den Zufall. Privat wurde er davon trotzdem überrascht: Als er es schon längst abgeschrieben hatte, fand er sein spätes Familienglück. Das Leben des 64-Jährigen ist bunt und verschlungen.
Man könnte ihn als bestes Beispiel anführen: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Biografie entsteht wie jene Pietro Ballinaris, ist wahnsinnig gering. Und trotzdem ist sie Realität geworden. Der Zufall, so Ballinaris Ansicht, macht das Unwahrscheinliche wahr. Ungewöhnliches Hobby Pietro Ballinari, in Bern im Haus und elterlichen Betrieb der Zähringer-Apotheke aufgewachsen, studiert Mathematik und findet so zur Statistik. «Statistik ist angewandte Wahrscheinlichkeitsrechnung: Kann ein Phänomen mit den Regeln des Zufalls erklärt werden, oder weicht es signifikant davon ab?», erklärt Ballinari seine Aufgabe, in der er seit 35 Jahren Forscher an der Uni Bern unterstützt. Statistiker sammeln also nicht einfach nur Zahlen und füllen sie in Tabellen und Diagramme ab, sondern interpretieren sie und entlocken ihnen so bisher Unerkanntes. Trotzdem hat Pietro Ballinari auch ein Flair fürs systematische Sammeln und Verwalten: Mit seiner Sammlung rund 800 angerauchter Zigarettenstummel verschiedener Marken hat der Nichtraucher in den Achtzigerjahren Bekanntheit erlangt. Farbe in den Alltag bringen Auch anderswo zeigt sich Ballinaris Hang zum Aussergewöhnlichen und Auffälligen: So weigert er sich, dem gängigen Männerdresscode zu genügen. «Es ist schwierig, farbenfrohe Kleider für Männer zu finden», gesteht er. Es gelingt ihm aber immer wieder, weshalb er eine stattliche Anzahl von farbigen Capes, Kitteln und rund 200 Käppis sein Eigen nennt. Zurück zur Wahrscheinlichkeit. «Alles, was ist, verdankt seine Existenz einer langen Folge von Zufallsereignissen und ist deshalb enorm unwahrscheinlich», sagt Pietro Ballinari. «Schon nur eine Blume am Wegrand: Dass ein Same tatsächlich zu spriessen beginnt, ist angesichts all der erfolglosen Samen sehr unwahrscheinlich.» Das Gleiche gilt für die Liebe. «Ich habe mich dreimal richtig verliebt in meinem Leben», sagt Ballinari. Die Chance, dass sich da die andere Person gleichzeitig verliebt, ist nicht gerade ermutigend hoch. «Mit 40, nachdem eine Beziehung in die Brüche gegangen war, habe ich die Hoffnung auf eine Familie aufgegeben. Ich dachte, ich bleibe solo bis an mein Lebensende», erinnert sich Ballinari. Er arrangierte sich damit, «ich hatte ja bis dahin kein schlechtes Leben geführt». Der grosse Zufall Als Ballinari schon längst nicht mehr damit rechnete, kam es, wie es kommen musste. Das zu sagen, ist im Nachhinein einfach. Doch Ballinari glaubt nicht an die Vorsehung. «Ich weiss, dass die unwahrscheinlichsten Zufälle passieren, weil die Menge aller Ereignisse schier unendlich ist», sagt der Statistiker. «Wir tendieren dazu, solchen Geschehnissen einen höheren Sinn zuzuschreiben – aber daran glaube ich nicht.» Das Wissen um solche Vorfälle lässt Ballinari mit Zuversicht, aber vor allem mit Neugier durchs Leben gehen. Vielleicht war es dieser Offenheit zuzuschreiben, dass er vor 14 Jahren die Chinesin ansprach, die ihm an der Uni über den Weg lief. Seit 11 Jahren ist Neve mittlerweile seine Frau. Gemeinsam zieht das Paar die Töchter Luna Yue (7) und Etoile Xing (5) gross. Seit seiner Pensionierung im Oktober hat Pietro Ballinari noch mehr Zeit für sie. Im Alter, in dem andere Grossvater sind, noch Vater werden, und das mit einer Frau aus China: Das war wohl für einen Berner Giel in den Fünfzigerjahren ein sehr unwahrscheinliches Zukunftsszenario. Eingetreten ist es trotzdem: Der Zufall hat es mit Pietro Ballinari gut gemeint. Thomas Kobel>
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch