Vorsicht mit der KameraWer Wildtiere fotografiert, kann sie in Gefahr bringen
Wildtiere fotografieren ist ein beliebtes Hobby. Wildhüter Marco Catocchia weiss, was befolgt werden muss, damit die Tiere nicht gestört werden.

Junge Füchse, die vor dem Bau herumtollen, Vogelkinder, die Seite an Seite im Nest sitzen, ein Rehkitz, welches in Begleitung seiner Mutter die Nase aus dem Dickicht streckt: Auf solche Szenen kann treffen, wer sich an sonnigen Frühlingstagen draussen aufhält. Diese Jahreszeit ist unbestritten die ereignisreichste im Leben heimischer Wildtiere. Und die spannendste für all jene, die in ihrer Freizeit die Natur fotografieren.
Das «Forum» dieser Zeitung erhält im Frühling besonders viele Tierbilder zugeschickt. Doch: Es gibt Situationen, in denen Wildtiere von Tierfreunden in Ruhe gelassen und nicht fotografiert werden sollten.

Einer, der dazu Auskunft geben kann, ist Wildhüter Marco Catocchia. Er kümmert sich täglich um das Wohl der Wildtiere im Kanton Bern. Selber ist er ein begeisterter Tierfotograf und hat Verständnis für all jene, die das ebenfalls sind. «Ich finde es sehr schön und auch gut, wenn man sich mit den Tieren und der Natur vor der eigenen Haustür beschäftigt», sagt er. «Damit die Tiere aber beim Fotografieren und Beobachten nicht gestört werden und allenfalls ungewollt Schaden angerichtet wird, gilt es einige Verhaltensregeln zu beachten.»
Vögel im Nest
Als oberstes Gebot gilt: Vögel wie auch Eier in Nestern sollten nie aus der Nähe fotografiert werden. «Die Vögel haben keine Möglichkeit, sich zurückzuziehen, um der Störung zu entgehen», sagt Marco Catocchia. Wer sich dem Nest nähert, um einen Schnappschuss von den Kleinen zu machen, geht das Risiko ein, dass sie sterben. «Fühlen sich Vogeleltern belästigt, kann es vorkommen, dass sie nicht mehr zum Nest zurückkehren und die Pflege ihrer Brut oder das Brüten der Eier aufgeben.»
Das gilt auch für Enten, die im Schilf auf ihren Eiern sitzen. Im Jagdgesetz des Bundes ist daher verankert, dass Vögel und ebenso ihre Eier während der Brutzeit nicht gestört werden dürfen.
Hinzu kommt, dass im Nest während der Störung eine grosse Aufregung entsteht. Die Jungvögel sind verängstigt. «Vereinzelt kann einer aus dem Nest fallen oder springt gar selber raus. Die Kleinen sind aber noch nicht flügge, brauchen nachts Wärme und sind auf die Fütterung durch die Eltern angewiesen.»
Selber schaffen es die Jungvögel nicht zurück ins Nest, und auch die Eltern können ihnen dabei nicht helfen. «Sie haben keine Chance zu überleben», so der Wildhüter.

Generell ist das Fotografieren von Vögeln jedoch nicht verboten. Marco Catocchia: «Wer vom Fenster aus beobachtet, wenn das Rotkehlchen das Futterhäuschen besucht oder wenn die Amsel den Kopf in den Nistkasten steckt, beeinträchtigt die Tiere kaum.»
Fuchs vor dem Bau
Tiere, die in einem Bau wohnen, egal ob junge oder alte, entscheiden selber, ob sie sich präsentieren wollen oder nicht. Fühlen sie sich belästigt, ziehen sie sich zurück oder recken den Kopf erst gar nicht aus ihrer Behausung. «Bei jungen Tieren entscheidet sowieso die Mutter, ob ihre Kleinen den geschützten Raum verlassen dürfen oder nicht», sagt Marco Catocchia.

Die nötige Distanz zum Menschen ergibt sich bei diesen Tieren somit von selber. Sobald Murmeltiere, Biber, Füchse oder Dachse den Geruch von Menschen wahrnehmen, bleiben sie im Bau. Rehe ziehen sich ins Dickicht zurück, Gämse zwischen Felsen. «Wer diese Tiere fotografieren will, muss sich auf die Lauer legen und sich dabei so positionieren, dass der Wind nicht in die Richtung der Tiere weht», rät der Wildhüter.
Wer hingegen auf ein Rehkitz trifft, soll sich besser nicht auf die Lauer legen, um es zu beobachten. «Seine Mutter versteckt sich in der Nähe, beobachtet und kehrt erst wieder zu ihrem Jungen zurück, wenn die Gefahr vorbei ist.»
Blitzlicht und Schutz
Der Frühling ist aber nicht nur die ereignisreichste Zeit im Leben von Wildtieren, sondern auch die heikelste. «Während der Brut und der Aufzucht der Jungen ist der Schutz der Wildtiere so wichtig wie nie», betont Marco Catocchia.
Unbedingt in Ruhe gelassen werden sollten die Wildtiere aber auch im Winter, dann, wenn sie haushälterisch mit ihren Energiereserven umgehen müssen. Marco Catocchia: «Es gilt, zu vermeiden, dass die Tiere sich gezwungen sehen zu flüchten, dazu zählt auch das Wegfliegen. Flucht zerrt enorm an ihren Kräften. Ebenfalls sollten die Tiere bei der Nahrungssuche nicht gestört werden.»
Nachtaktive Tiere sollten abseits von Häusern auch nicht fotografiert werden. Die Belästigung durch dieses Eindringen in ihren Lebensraum ist für sie zu gross. Auch das Klickgeräusch des Auslösers der Fotokamera ist für die Tiere nachts sehr irritierend.

Bei Wildtieren, die ohnehin im direkten Umfeld von Menschen leben, ist dies hingegen kein Problem. Der Fuchs im Garten oder der Igel auf dem Vorplatz können auch nachts mit Blitzlicht fotografiert werden. Solche Fotografien werden auch im Rahmen von Wildtierforschungsprojekten erstellt.
Ideale Vorbereitung
«Wer Wildtiere fotografieren will, sollte sich vorgängig über die verschiedenen Tierarten informieren oder zumindest über jene, welche man fotografieren will», sagt Marco Catocchia.
Zudem ist es für das Gelingen eines Bildes hilfreich, zu wissen, wo sich das Tier aufhält, was es frisst – und generell, wie es sich verhält.

«Wer Tiere in ihrem ursprünglichen Lebensraum fotografiert, braucht Geduld», so Marco Catocchia. Es kommt vor, dass man sich stundenlang auf die Lauer legt und trotzdem ohne das gewünschte Bild nach Hause zurückkehrt. Wer aber wachsam ist und gut hinschaut, trifft vielleicht auf etwas Unerwartetes. Der Wildhüter: «Dann gibt es halt kein Bild vom Hirsch mit prächtigem Geweih, sondern von der Feldmaus, die sich in einem Asthaufen versteckt.»
Das sind die Leserbilder des Monats
Die Leserbilder des Monats finden Sie hier. Das Forum freut sich über Tierbilder und bedankt sich bei den Leserfotografinnen und Leserfotografen für die Zusendungen! Publiziert werden können jedoch nur solche Tierbilder, welche die von Wildhüter Marco Catocchia genannten Kriterien erfüllen. Unsere Mailadresse für Leserbilder lautet: redaktion@bernerzeitung.ch (Vermerk: Leserbilder). Bitte geben Sie Ihren Vornamen, Ihren Namen sowie Ihre Adresse an. Beschreiben Sie in einem kurzen Text, wo die Aufnahme entstanden ist.
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