Beziehungen Tschechien - ChinaWie ein Zürcher Geschäftsmann für China geheimes Lobbying betreibt
Michael Winkler hat gute Beziehungen ins Reich der Mitte und verbreitet unbewiesene Korruptionsvorwürfe gegen einen tschechischen Spitzenpolitiker.

Hinweise auf Skandalgeschichten bekommt der tschechische Journalist Lukas Valašek sehr viele. Diese Mail kam ihm aber eher seltsam vor: ein Link zu einem französischen Artikel über die angebliche Bestechung eines tschechischen Spitzenpolitikers. Seltsam war vor allem der Absender der Mail: ein Schweizer namens Michael Winkler, der eine Beratungsfirma in Winterthur besitzt.
Er wolle auf den Artikel aufmerksam machen, weil er die politische Führung Tschechiens betreffe, schrieb Winkler in seiner Mail an die Redaktion der Prager Onlineplattform Aktualne.cz. Und weil nicht sofort eine Antwort kam, liess Winkler seinen Assistenten noch zweimal nachfragen, ob denn dieser «relevante Artikel» verwertet werde.
Unliebsamer Politiker soll «hohen Preis» bezahlen
Ob dem Winterthurer bewusst war, wo er sich da einmischte? Immerhin ging es um einen hochbrisanten internationalen politischen Konflikt. Nämlich zwischen dem EU-Staat Tschechien und China. Und es geht um die Frage, welche Mittel Pekings kommunistische Führung einsetzt, wenn sie sich aus dem Ausland provoziert fühlt. Die Mails, die der tschechische Journalist aus der Schweiz erhielt, sehen nämlich sehr nach dem Baustein einer «aktiven Massnahme» aus. So nennen Geheimdienste im ehemaligen Ostblock die Beschädigung oder Ausschaltung politischer Gegner durch Desinformation und Denunziation.
In diesem Fall richtete sich die Massnahme gegen Miloš Vystrčil, den Präsidenten des Oberhauses des tschechischen Parlaments. Vystrčil reiste im August 2020 nach Taiwan und erklärte dort seine Solidarität mit dem vom kommunistischen China abgespaltenen Inselstaat: «Ich bin ein Taiwaner.» In Peking schäumte die Führung vor Wut über diesen in ihren Augen feindlichen Akt. Chinas Aussenminister Wang Yi kündigte an, Vystrčil werde «einen hohen Preis» für seine Reise zahlen.
Seltsame Quellen im Internet
Am 2. November erschien auf der Homepage des französischen Portals «Opinion Internationale» ein Artikel, in dem behauptet wird, Vystrčil habe für seinen Besuch in Taiwan vier Millionen Dollar erhalten. Die Information will das Portal von «mehreren gut informierten Quellen» erhalten haben. Verlinkt wird auf einen Twitter-Account, der im Oktober 2020 erstellt wurde und null Follower hat.
Drei Tage später macht Michael Winkler aus Winterthur per Mail das tschechische Medium Aktualne.cz auf den französischen Artikel aufmerksam. Zwei Erinnerungsmails folgen in den Tagen darauf. «Wir können die Informationen im Artikel nicht überprüfen», heisst es in einer Mail, die Winklers Assistent verschickt. «Wir sind bloss Beobachter mit einer festen Haltung gegen Korruption und wollen auch nicht als Quelle zitiert werden.»
Michael Winkler ist nicht nur Geschäftsmann. Er ist gemeinsam mit seiner chinesischen Frau Inhaber eines Nachrichtenportals namens «Eurasia-Info» sowie Mitgründer des Vereins Eurasia-Forum. Als Zweck gibt der Verein an, «Europa und Asien (besonders China) einander näherzubringen». Auffallend sind die ausgesprochen positiven Berichte über die chinesische Regierung und ein offenbar sehr gutes Verhältnis zum offiziellen China.
Basler Experte erkennt die Handschrift der chinesischen Einheitsfront
Für Ralph Weber, China-Experte und Professor am Europa-Institut der Universität Basel, sind das Hinweise darauf, dass «Eurasia-Info» «nahe zur chinesischen Einheitsfront operiert». Diese Einheitsfront ist ein Konglomerat von scheinbar zivilgesellschaftlichen Organisationen und Unternehmen, die letztlich der Kommunistischen Partei unterstehen und unter anderem im Ausland Lobbyarbeit für die chinesische Regierung betreiben sollen.
Für die chinesische KP sei das ein sehr wichtiges politisches Instrument, sagt Weber: «Da wird viel Personal und Geld investiert.» Allerdings sei das System schwer greifbar, weil es über viele Stationen, über Vereine, Firmen und die Botschaften laufe. «Es gibt hier keine direkte Befehlsausgabe von Peking nach Zürich», vermutet Weber. Er stellt gerade eine umfassende Studie über den Einfluss der chinesischen Einheitsfront im Westen fertig. Die Mails aus der Schweiz über einen vermeintlichen Bestechungsskandal hält er dabei für ein «Puzzlestück in einem grösseren Ganzen».

Die Website von «Eurasia-Info» ist derzeit nicht aufrufbar. Wer im Webarchiv sucht, findet darin Artikel, die auch vom Zentralorgan der chinesischen KP sein könnten: «China ist der Hauptmotor der Weltwirtschaft», «China macht beachtliche Fortschritte in der Armutsbekämpfung».
Das erst Ende 2019 gegründete Eurasia-Forum zeigt hingegen noch wenig Aktivitäten. Auf der Homepage ist ein Foto der chinesischen Gründerin mit Bundespräsidentin Sommaruga zu sehen sowie Fotos von der Gründungsfeier im Januar 2020 in Davos. Danach machte wohl Corona weitere Pläne zunichte.
«Eurasia-Info» und Eurasia-Forum seien «ganz sicher keine Lobbying-Plattformen für die chinesische Regierung», sagt Michael Winkler zu dieser Zeitung: «Es sind Dialogforen, um das Verhältnis zwischen China und der Schweiz zu verbessern.»
Wolfs-Diplomatie und Schmutzkübelkampagne
Nachdem Aktualne.cz über die Intervention aus der Schweiz ausführlich berichtete, ist der Ärger in Tschechien beträchtlich. Der bürgerliche Abgeordnete Jakub Janda schreibt auf Twitter über eine «Schmutzkübelkampagne» gegen den Senatspräsidenten, ausgelöst «von einer Schweizer Gruppe der chinesischen Einheitsfront». Der betroffene Politiker Miloš Vystrčil spricht gegenüber Aktualne.cz von «Desinformation» und einer «absurden Lüge». Taiwans Aussenministerium verurteilte in einer Medienmitteilung die chinesische «Wolfs-Diplomatie» mit Schweizer Hilfe: Peking versuche mit «böswilligen Sensationsmeldungen» ausländische Gesellschaften zu beeinflussen.
Michael Winkler hingegen nennt die Affäre «ein gründliches Missverständnis»: Er habe einen Hinweis auf den französischen Artikel erhalten und die Information über die mutmassliche Bestechung lediglich an tschechische Journalisten weitergeben wollen. Nun sieht er, «dass nicht der Sachverhalt im Zentrum steht, sondern die Frage, wer den Link geschickt hat. Das ist schon erstaunlich.»
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