Wie Gott in Frankreich
Das grüne Hügelland im Südwesten Frankreichs ist ein Wander- und ein Schlemmerparadies – keine schlechte Kombination. Überdies locken die Zeugen einer uralten Kulturgeschichte.
So erträumt man sich «La douce France»: Die von goldenem Ginster gesäumte kleine Strasse führt durch einen Hügelwald aus Eichen, Kastanien und Föhren. Dann durchquert sie weite Wiesen, blühend in den Nationalfarben mit weissen Margeriten, rotem Mohn und blauer Salbei. Zwischen Obst- und Nussbaumgärten weiden hellbraune Rinder oder zottelige Schafe. Und unüberhörbar sind in den Gehegen die Scharen von Gänsen und Enten, unfreiwillige Lieferanten von Foie gras. Doch viel fruchtbares Bauernland in den Départements Dordogne, Vézère und Lot der Provinz Périgord scheint ungenutzt: Man klagt über die Krise der Landwirtschaft und setzt vermehrt auf Tourismus.
So bieten viele Gehöfte Fremdenzimmer an. Oft sind es restaurierte Herrensitze, gebaut aus dem honigfarbenen Kalkstein der Gegend um einen Hof mit üppig blühenden Rosen. Manche haben noch einen als Taubenschlag dienenden Rundturm. Sie zeugen von einer feudalen, kriegerischen Vergangenheit, ebenso die Überreste befestigter Dörfer, «bastides» genannt. Im Château de Commarque etwa kann man in ausgedehnten Ruinen herumklettern und Wohnhöhlen erforschen. Aus der Renaissance stammen viele Schlösser, manche mit opulent ausgestatten Innenräumen. Klassisch sind auch ihre geometrischen Gartenanlagen aus fantasievoll geschnittenen Buchshecken wie die Jardins d'Eyrignac.
Doch die Kulturgeschichte der klimatisch bevorzugten Gegend reicht viel weiter zurück: Vor rund 20 000 Jahren schmückten nomadisierende Jäger der Nacheiszeit hier Kalksteinhöhlen mit Tierdarstellungen. In Lascaux bei Montignac entdeckten 1940 einheimische Burschen ein ganzes Höhlensystem mit diesen frühen Meisterwerken. Öffentlich zugänglich gemacht, musste es 1963 geschlossen werden, weil eingeschleppte Mikroorganismen die Malereien bedrohten.
Atemraubende Steinzeitkunst
Als Ersatz schuf man 1983 eine Kopie, genannt Lascaux II, die aber vom Ansturm zunehmend überfordert war. Seit einem halben Jahr gibt es nun als Lascaux IV ein verbessertes Faksimile (Lascaux III bezeichnet eine ebenfalls neue Wanderausstellung) mit moderner Besucherführung. Das Erlebnis ist überwältigend: Im Dämmerlicht tauchen an Wänden und Decke des hohen, engen Höhlengangs galoppierende Pferde auf, kämpfende Urstiere, massive Bisons oder Hirsche mit mächtigen Geweihen. Manche sind nur als schwarze oder geritzte Umrisse erkennbar, viele sind aber vollständig ausgemalt in Ocker oder Rot. Mit Lasertechnik wurde auch die Felsstruktur feinstreproduziert, welche die im Licht von Öllampen arbeitenden Künstler zur plastischen Darstellung der gegen 2000 Figuren in ihrer Kultstätte nutzten. «Wir haben nichts Neues erfunden», soll Picasso bei dem Anblick gesagt haben.
In der Gegend gibt es noch eine Vielzahl kleinere Fundorte von Steinzeitkunst, die man (vorläufig noch) im Original in den Höhlen Font-de-Gaume und Combarelles in geführten Kleingruppen bewundern kann. Das Museum von Les Eyzies liefert detaillierte Erläuterungen dazu, allerdings nur auf Französisch. Attraktiver für Familien sind die Parcs Préhistoriques, wo Besucher steinzeitliche Techniken erproben können.
Rundwege und Rundhütten
Das Tal der Vézère ist auch ein Wanderparadies: Insgesamt 675 Kilometer wurden ausgeschildert, meist als Rundwege von einem Dutzend Orten aus. Überdies kreuzen die Weitwanderwege (Grandes Randonnées) GR36 und GR64 das Gebiet. Eine typische Wanderung beginnt im Bilderbuchort Saint-Léon mit romanischer Kirche und idyllischen Beizlein am Wasser. Hoch über dem Ufer folgt man Kalksteinwänden voll geheimnisvoller Überhänge und Löcher und kehrt zurück über den Hügel, in dessen Wald sich aus Steinen geschichtete Rundhütten verstecken. Ausserdem locken hübsche Kleinstädte zum Bummeln, allen voran das alte Zentrum von Sarlat-la-Canéda.
Es illustriert jahrhundertelange Baugeschichte: Gotische Erdgeschosse wurden aufgestockt im Renaissancestil und gekrönt mit einem klassischen Lukarnendach. Trotzdem wirken die engen Gassen und grosszügigen Plätze einheitlich dank dem ockerfarbenen Kalkstein, der auch für die Kathedrale und den Bischofssitz verwendet wurde. Schön ist auch die Weinstadt Bergerac, wo man eine Bootstour auf der Dordogne buchen kann. Und lohnend der Provinzhauptort Périgueux mit seinen Fachwerkfassaden.
Schlaraffenland der Märkte
Natürlich ziehen solche Orte viele Touristen an. Sie mischen sich mit Einheimischen auf den Wochenmärkten, die es vielerorts gibt, besonders reichhaltig in Saint-Cyprien. Kindskopfgross sind hier die Artischocken, reif die Ochsenherztomaten. An manchen Ständen türmen sich Büchsen und Gläser mit Foie gras oder Confit de Canard. Es duftet nach Nusskuchen und karamellisierter Apfeltarte. Noch üppiger präsentieren sich im Juli und August die Nachtmärkte, wo man an langen Tischen tafelt und den süffigen Wein aus den Rebbergen von Bergerac geniesst. Und zur Trüffelzeit füllen Gourmets die Gaststätten. Leben wie Gott in Frankreich ist in dieser gesegneten Gegend kein leeres Versprechen.
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