«Ich bin kein Kuschelrichter»
Im Bezirk Bülach wird am 26. September ein neuer vollamtlicher Bezirksrichter gewählt. Die SVP schickt den Winterthurer Michael Peterhans ins Rennen. Im Interview mit dem TA erzählt der ehemalige Polizeigrenadier, warum er Verständnis hat für die Kritik des Volkes an gewissen Gerichtsurteilen.
Von Markus Rohr Bülach – Bezirksrichterstellen sind begehrt. Schon so manche Richterkarriere hat an einem Bezirksgericht begonnen. Am Bezirksgericht in Bülach amtieren sechs vollamtliche und vier nebenamtliche Richter. Sie müssen sich alle sechs Jahre einer Volkswahl stellen. Daneben gibt es vom Obergericht bestellte Ersatzrichter. Bei der Besetzung der Bezirksrichterstellen kommt ein Parteischlüssel zur Anwendung, wobei die Wähleranteile der letzten Kantonsratswahlen gelten. Der freiwillige Proporz hat bis heute offenbar gut funktioniert. Querulant stört Parteifrieden Auf den in Bülach frei gewordenen Richtersitz hat die SVP Anspruch. Das war schon bei der letzten Ersatzwahl vor einem Jahr der Fall. Nach Angaben von Ulrich Betschart, Präsident der SVP-Bezirkspartei Bülach, setzt seine Partei in solchen Situationen eine Findungskommission ein, welche aus dem Parteivorstand, den Kantonsräten sowie zwei Richtern besteht. Vor einem Jahr hatte die Partei der Delegiertenversammlung fünf Kandidaten vorgeschlagen. Einer wurde gewählt, vier sind geblieben. Diese vier sind nun erneut der Delegiertenversammlung zur Auswahl vorgeschlagen worden. Bereits im ersten Wahlgang erreichte Michael Peterhans das absolute Mehr. Die Nomination wurde anschliessend der interparteilichen Konferenz vorgelegt und von dieser für gut befunden. Eigentlich hätte der Sitz in Stiller Wahl besetzt werden können, wenn da nicht einmal mehr Marian Danowski dazwischengefunkt hätte. Der 58-jährige Literaturagent und gebürtige Pole kandidiert seit seiner Einbürgerung für verschiedenste Ämter auf nationaler, kantonaler und auf Bezirksebene, und zwar nicht nur im Kanton Zürich. Immer erfolglos. Der selbst ernannte Kandidat zwingt jetzt die 22 Gemeinden des Bezirks Bülach zur Durchführung dieser Ersatzwahl. Ulrich Betschart bezeichnet das als «kostspieligen Missbrauch der Demokratie». Politisch aktiver SVP-Kandidat Michael Peterhans, der überparteiliche Kandidat für das Vollamt eines Bezirksrichters, verfügt über eine bemerkenswerte berufliche Laufbahn (siehe Box). Nach einer Berufslehre als Maschinenzeichner ist er Polizist geworden, war bei den Polizeigrenadieren und hat zwei Jahre im Verkehrszug Bülach gewirkt. Von dieser Zeit her kennt er jeden Winkel der Region, obwohl er derzeit in Winterthur wohnt. Dort war er lange Zeit Mitglied der Fürsorgebehörde. Seit diesem Frühjahr sitzt er für die SVP im Grossen Gemeinderat der Stadt Winterthur. Mitte der 90er-Jahre hat er tagsüber als Sicherheitsbeauftragter der Flughafenpolizei gearbeitet und nachts sowie an den Wochenenden für die Matura gebüffelt. Es folgte das Studium der Jurisprudenz, das er mit Erfolg abschloss. Dann kam eine Phase der wissenschaftlichen Arbeit an der Uni. 2003 begann seine Gerichtstätigkeit. Er war zunächst Auditor und juristischer Sekretär am Bezirksgericht Zürich, dann juristischer Sekretär am Geschworenengericht und ab 2008 ausserordentlicher Ersatzrichter am Bezirksgericht Zürich. Seit diesem Monat ist Michael Peterhans vollamtlicher Ersatzrichter am Bezirksgericht Bülach und nebenbei auch noch Sekretär am Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich. Jetzt will er vollamtlicher Bezirksrichter werden. Herr Peterhans, was reizt Sie am Amt des Richters? Ausgangspunkt war eigentlich meine Polizeiarbeit. Als Polizist macht man bei Ereignissen die ersten Einvernahmen, die dann vielleicht zu einer Anklage führen. Gelegentlich hatte ich damals das Gefühl, dass die Gerichte bei ihren Urteilen nicht das notwendige Feingefühl walten lassen. Deshalb wollte ich selbst Richter werden. Diese Kenntnisse der Polizeiarbeit sind für einen Richter sehr nützlich. Aber auch die Polizei leistet nicht immer optimale Arbeit. Fehler können überall passieren. Das ist menschlich. Sie sind von der SVP portiert worden. Heisst das auch, dass Sie ein richtiger Parteisoldat sind? Ich arbeite aktiv in der Partei mit. Das gibt mir auch Gelegenheit, den Kontakt zum Volk zu halten. Als vollamtlicher Richter läuft man ja immer auch Gefahr, sich vom Volk zu weit zu entfernen. Doch auch Richter brauchen neben guten juristischen Kenntnissen eine gewisse Bodenhaftung. Ja, zum Beispiel wäre es gut, wenn Sie in der Region wohnen würden . . . Durch meine frühere Tätigkeit als Verkehrspolizist kenne ich den Bezirk sehr gut. Für mich ist klar, dass ich im Falle einer Wahl früher oder später in der Region Wohnsitz nehmen würde. Das heisst, Sie würden auch aus dem Winterthurer Stadtparlament austreten, obwohl Sie erst kürzlich gewählt worden sind? Ja, das wäre die Konsequenz. Viele Leute haben das Gefühl, die Gerichte würden zu wenig harte Urteile fällen. Es ist von Kuscheljustiz die Rede. Sind Sie auch ein Kuschelrichter? Das kann ich klar mit Nein beantworten. Ich gehöre eher zur Gruppe jener Richter, welche den Strafrahmen wenn immer möglich ausnützen. Das heisst, Sie sind auch mit den jüngsten Vorschlägen des Bundesrats einverstanden. Dieser beantragt mit einer Strafrechtsrevision höhere Strafen bei Gewalttaten und Pornografie. Grundsätzlich bin ich dafür. Aber ich bin ebenso bestimmt der Meinung, dass man schon heute zum selben Resultat gelangen könnte, wenn man den vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Strafrahmen bei den einzelnen Delikten besser respektive voll ausnützen würde. Das Volk kann die Urteile der Gerichte oft nicht nachvollziehen. Und genau das ist der springende Punkt. Natürlich kann nicht jeder immer jede juristische Begründung nachvollziehen. Aber es darf auch nicht sein, dass die Gerichte mit ihren Urteilen beim Volk auf wenig Verständnis stossen. Bis zu einem gewissen Grad sollten die Urteile mit dem Volksempfinden übereinstimmen. Michael Peterhans arbeitet bereits in Bülach am Bezirksgericht, wohnt aber noch in Winterthur. Foto: Gesa Lüchinger
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